„The Girl On The Train“ hat den Vogel abgeschossen. Der Name der Debütantin ist mir zum Glück schon entfallen, aber die britische und amerikanische Thrillerkritik hat dieses Buch in den siebten Himmel gehoben, und kein Schwein weiss warum. Man darf sich hier ruhig mal im Ton vergreifen, aber so einen Scheiss habe ich selten zu Ohren bekommen. Wir hatten das Hörbuch laufen auf einer langen Autofahrt, und schon bald dämmerte es mir, dass hier nur Soziopathen und Gestörte den Ton angeben, das Handlungsgerüst kläglich ist, die Sprache arm, die Geschichte hochredundant. Das Ende lächerlich. Man dachte immer, da kommt noch was, aber da kam nichts. Jedes Klischee eine finstere Wahrheit, die Filmrechte schnell verkauft, und die Botschaft: auch Frauen sehen manchmal rot. Als Heilmittel möchte ich hier jedem wahren Thriller- (und Musikfreund!) die vier Sean-Duffy-Romane von Adrian McKinty ans Herz legen. Sie sind allesamt bei „Suhrkamp Nova“ erschienen (nur Vollpfosten beklagen den „Niedergang“ des Verlages), und idealerweise liest man sie in der Reihenfolge „Der katholische Bulle“, „Die Sirenen von Belfast“, „Die verlorenen Schwestern“, „Gun Street Girl“. Sean Duffy ist alles andere als ein korrekter Katholik, und er hat einen verdammt guten Musikgeschmack. Die kleinen Radios und alten Schallplattenspieler sorgen für einen interessanten Soundtrack, Duffy liebt die „Manchester Factory“, kennt sich gut aus in den dunklen Seiten der Rockhistorie, ihm wird schlecht, wenn Duran Duran und andere Dumpfbackenmusik läuft. Im Belfast der 80er Jahre geht es bekanntlich ziemlich unlustig zu, Bürgerkriegszeiten. Sean Duffy ist ein kluger, dezent anarchistischer Typ, mit dem man jederzeit über Dostojewski und Sartre dikutieren könnte, wenn er nicht meist andere Dinge zu tun hätte. Aber es gibt Atempausen in schummrigen Kneipen, einen knochentrockenen Humor, und wahrlich gute Geschichten!
2015 12 Dez
(Reprise) Der dämlichste Thriller des Jahres, und das Heilmittel
von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 2 Comments
2 Comments
-
Uwe Meilchen:
Die Gleichzeitigkeit der Dinge: GESTERN habe ich mir eben jenes Hoerbuch mit dem Maedchen in dem Zug aus der Stadtbuecherei meines Vertrauens ausgeliehen um es mir anzuhoeren. Nun bin ich erst recht auf meinen Eindruck beim Anhoeren gespannt.
Zu Adrian McKinty werde ich mich mal schlau machen; klingt vielversprechend !
Und Suhrkamp hat ja seit Mitte dieser Woche personell und in der Verantwortung neu aufgestellt; da sehe ich noch viel Potenzial – auch jenseits der Zeit zwischen Frau und Gitarre ! ;-D
-
Michael Engelbrecht:
na ja, nach 5 Kapiteln müsste es eigentlich reichen … :)
„Rachel …“
„RACHHELLL“