Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2015 4 Sep

Ein Jahr ohne Kristiansand (penultimate remix)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 3 Comments

Der Duft der Waffeln ganz am Ende. Zuerst das Wort zum Sonntag. Alles hat seine Zeit, und das Leben steckt voller Rituale. Stets geht es um zwei Prozesse, „saming“ und „changing“. Oft sind Wiederholungen reich an Verwandlungen, feinen Differenzierungen – statt endlos Oberflächen abzugrasen, führen manche Muster dazu, tiefer und tiefer in Materien einzudringen. Noch öfter aber tragen Wiederholungen den Makel der Sterilität: man hält an Vertrautem fest, und grenzt sich von allem Unvertrauten ab. Da tut dann Veränderung Not, nur merkt man das oft gar nicht und folgt den Schwungrädern alter Gewohnheiten. Nach zehn Jahren „Punktfestival“ hält die Erinnerungslust Einzug. Dass das Kombinieren vertrauter Namen zu verblüffenden Resultaten führen kann, das belegt „Punkt“ immer wieder („saming,& changing“) mit Live-Remixen und  all den  üblichen Verdächtigen, von Jan Bang bis Erik Honore, von Sidsel Endresen bis Eivind Aarset, von Arve Henriksen bis Supersilent, auch  mit Gastkuratoren wie Brian Eno und David Sylvian. Natürlich ändert sich das Programm immer noch von Jahr zu Jahr, aber es kommt  ein „Geschmäckle“ hinzu. Zu sehr wird die eigene Geschichte Fokus: symptomatisch, dass in diesem Jahr Sylvians Live-Präsentation seines Ambient-Werkes „Plight and Premonition“ auf der Leinwand zu erleben ist (mehr was für den Kopfhörer als ein besonderer „Hingucker“). So zieht  schleichend, aber stetig, ein neuer nordischer Festival-Mainstream herauf, der manchmal fasziniert, manchmal ernüchtert. Wie Garbarek seit den Neunzigern. Ikonisierungen und Kultivierungen lösen halt Betriebsgeheimnisse auf. Manchmal grüsst das Murmeltier eben jährlich. Oder bin ich das Murmeltier? Natürlich gibt es nach wie vor  Entdeckungen, wer hätte schon mit dem Schwerpunkt „Vietnam“ gerechnet, aber das Retrospektive gewinnt an Raum. Alte Filme. Was ich in diesem Jahr zu gerne erlebt hätte: Hilde Marie Holsen. Saskia Langhoorn (remixed).  „Strange worlds, still.“ Wie herbei gerufen, ein sizilianischer Traum. Grosse Stille, weites Meer, Musik eines armenischen Chors, und ein Hotel, das ein umgebautes Gefängnis ist. „A totally deserted landscape is sometimes all you need.“ Einmal erzählte mir mein Hausarzt, dass sie in den Bergen Siziliens wandern waren, und dann sahen sie den Ätna, und dann brach er aus. Einfach so. Sie hatten es nicht kommen sehen. Es verschlug ihnen die Sprache. So etwas passiert zuweilen in der Musik.  Man darf es nur nicht kommen hören. P.S.: eine Nacht später der Bumerang-Traum. Statt in Sizilien landete ich in Kristiansand und wollte als heimlicher Gast das Festival erleben, mit Sonnenbrille huschte ich auf mein Zimmer. An lauter bekannten Gesichtern vorbei. Wie sollte ich aus der Nummer nur rauskommen, ich war im Hotel Norge, und die Frühstückszeit hatte begonnen. Der Duft der  Waffeln. Manchmal ist man halt „auf einem ganz anderen Dampfer“. Isle of Barra calling. Remix over.

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3 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    http://punktfestival.no

  2. Michael Engelbrecht:

    Vielleicht war ich nur etwas PUNKTmüde und habe tolle Ereignisse verpasst:)

    http://www.londonjazznews.com/2015/09/festival-round-up-2015-punkt-festival.html

    Fair enough!

  3. Michael Engelbrecht:

    Manfred Eicher war dann leider auch noch verhindert.


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