Manafonistas

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Aus gegebenem Anlass: Jazz em Agosto in Lissabon
 
 
Zunächst ist man skeptisch, wenn man liest, um was es sich bei diesem Album handelt: um das Update eines Werkes, das der junge Österreicher Mantler 1968 als Fünfundzwanzigjähriger mit den ebenfalls jungen Grössen einer kleinen New Yorker Szene dort aufnahm, das heisst mit ebenso eigenwilligen und höchst fähigen Musikern wie Cecil Taylor, Don Cherry, Gato Barbieri, Roswell Rudd, Pharoah Sanders etc … Es ist evident, dass die Entstehungssituation dieser Musik weder mit den alten (soweit noch verfügbar) noch mit neuen Musikern auch nur annähernd zurückholbar ist. Mantler hat also eine Reihe von Eingriffen in das Werk vorgenommen, wozu auch andere Instrumentationen gehören. U.a. spielt im Update die elektrische Gitarre, besetzt durch Bjarne Roupé, eine prominente Rolle. Neu eingeführt auch ein Streichquartett besetzt durch das Radio.string.quartet.vienna. Für solche Bearbeitungen, die man bei klassischen Komponisten für recht normal ansieht, gibt es zahlreiche berühmte Beispiele.

Was ist dann im Mantlerschen Fall anders und was liefert uns dieser Update, der mit der 19köpfigen Nouvelle Cuisine Big Band unter Leitung von Christoph Cech aufgenommen wurde? Wenn man hineinhört, was auch in beliebiger Reihenfolge der Tracks möglich ist, ist man erstaunt. Erstaunt über die Wucht dieser Musik, ihr wild-fröhliches, fast unbekümmertes Herumströmen. Erstaunt über das, was da alles beinahe urwüchsig auftaucht, sich verbindet und verschwindet. Intuitiv bestimmt, aber getrieben von starkem Formempfinden und Ausdruckswillen. Vor allem aber kann man (immer noch) klar hören, dass die Klänge aus dieser, d.h. jener Zeit stammen, dass sie auch in diesem Update noch reichlich jene Zeit atmen.

Jüngere oder jüngste Musiker aus dieser, der heutigen Zeit würden so nicht schreiben (können). Die Updates enthalten diese Spannung und zeugen mit der nötigen Dialektik vom damaligen Tumult – um ein einschlägiges Wort Enzensbergers zu gebrauchen. So gesehen ist es gut, dass man die Originalaufnahme nicht dabei hat. Neugierig wird man schon. Nicht nur auf die alten Aufnahmen, sondern auch auf die Beantwortung der Frage, wo die Unterschiede zu dem liegen, was vergleichbare Dreiundzwanzigjährige heutzutage an Musik entwerfen.
 
Mantlers Update ist bei ECM herausgekommen. Die Rezension ist eher auch im Printmagazin Jazzthetik erschienen.
 
Mantlers Werk wurde beim Moers Festival gespielt (siehe ARTE tv und meine Besprechung) und nun, ein paar Monate später mit dem besten grossen Jazzensemble von Portugal, dem Orquestra Jazz de Matosinhos aus Porto eine Truppe, die eine stolze Tradition der Zusammenarbeit mit Jazzgrössen hat.

 
 
Besetzung In Lissabon
 
 
CHRISTOPH CECH (direção)

MICHAEL MANTLER (trompete)
WOLFGANG PUSCHNIG (saxofone alto, flauta)
HARRY SOKAL (saxofones tenor e soprano)
DAVID HELBOCK (piano)
BJARNE ROUPÉ (guitarra elétrica)
JOÃO PEDRO BRANDÃO (saxofone soprano, flauta)
JOÃO GUIMARÃES (saxofone soprano, clarinete)
MÁRIO SANTOS (saxofone alto, clarinete, clarinete-baixo)
JOSÉ PEDRO COELHO (saxofone tenor, flauta)
RUI TEIXEIRA (saxofone barítono)
GILENO SANTANA (trompete)
JAVIER PEREIRO (trompete)
JOÃO GASPAR (trompa)
ANDRÉ GOMES (trompa)
DANIEL DIAS (trombone)
GONÇALO DIAS (trombone baixo)
SÉRGIO CAROLINO (tuba)
DEMIAN CABAUD (contrabaixo)
JOSÉ CARLOS BARBOSA (contrabaixo)
DIOGO DINIS (contrabaixo)
MARCOS CAVALEIRO (bateria)
 
 
P.S.: Für diejenigen, die nicht gleich etwas mit dem Namen Michael Mantler verbinden können: Mantler hat immer wieder mit Robert Wyatt zusammengearbeitet, wovon auch einige Alben zeugen.

This entry was posted on Donnerstag, 30. Juli 2015 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

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