Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2015 11 Mrz

Lesetipp 1

von: Lajla Nizinski Filed under: Blog | TB | 14 Comments

Es ist immer ein Aufbruchsgefuehl, ein neues, kleines ‚Merve‘ Buch in der Jackentasche zu haben, dieses Mal bin ich mit „RADIKANT“ von Nicolas Bourriaud herumgewandert. Es ist ein richtiges Nomadenbuch, das sich mit den neuen Perspektiven in der Kunst und den Kuenstlern und wer ist da keiner, auseinandersetzt, das neue Fragen stellt und alte vergessen laesst – nicht mehr: „Woher kommst du?“, sondern: „Wohin gehst du?“. Es geht um die Wurzeln, die Verwurzelung, die Entwurzelung in der globalisierten Welt, aesthetisch betrachtet.

Leseprobe: „Der Immigrant, der Exilant, der Tourist, der in der Stadt Umherschweifende sind vorherrschende Figuren der zeitgenoessischen Kultur. Um in der Pflanzensprache zu bleiben, das Individuum zu Beginn des 21. Jhdts. erinnert an jene Pflanzen, die nicht aus einer einzigen Wurzel herauswachsen, sondern sich in allen Richtungen auf den Oberflaechen ausbreiten, die sich bieten, indem sie sich mit zahlreichen Haekchen festhalten wie der Efeu. Dieser gehoert zu der botanischen Familie der RADIKANTEN …“

Er bezeichnet die Kuenstler des 21.Jhdts als Semionauten, die sich mit all dem Wissen, das im Internet steckt eine Playlist machen, um mit dem vohandenen Wissen umgehen zu koennen. Er gibt sehr viele Beispiele aus der Kunst, was aber nicht bedeutet, dass man die post/altermoderne Kunst kennen muss, es geht eher um die neue Vorstellung von Welt und unseren Austausch darueber.

Reichhaltig und bereichernd.

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14 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Schön, dass es Merve noch gibt. Wunderbarer Verlag, herrlich kleine Bücher, in denen sich ganze Sub-Welten verstecken. Lange nichts mehr gelesen. Haben Manafonistas Lieblingsbücher aus dem Merve-Verlag? Lajla, ich habe Samstag Geburtstag, werde 20. Wunderbares Radikantenleben. Gardasee, New York, Sylt, München, Wales.

  2. Michael Engelbrecht:

    Mein Merve-Lieblingsbuch ist ein leider Vergriffenes:

    Daniel Charles – Musik und Vergessen.

  3. Wolfram:

    Was für ein Glück, an den Merve-Verlag erinnert zu werden! Jahrehntelang bin ich mehrmals täglich achtlos an den ungefähr 20 Büchern vorbeigegangen, die so klein sind, dass nur sie in dieses eine besonders niedrige Regalfach passen. Und jetzt sitze ich da und blättere und lese und finde Zitate, dick angestrichen, die mir immer noch gefallen, obwohl ich sie vergessen hatte, aber ich verstehe auch, dass und warum sie trotzdem mein Leben begleitet haben.

    Das gilt nicht für alle Bände, zu manchen habe ich damals keinen Zugang gefunden. Andere waren dafür umso wichtiger, allen voran die „Genialen Dilettanten“, deren Idee es mir leichter gemacht hat, mit aller mir zu Verfügung stehender Unmusikalität durchgängig und auch laut zu musizieren. Dann war natürlich Jean Baudrillards „Kool Killer oder „Der Aufstand der Zeichen“ wichtig, lieferte er doch wesentliche Beiträge zum theoretischen Unterbau meiner damals noch wachsenden Graffitisammlung.

    Ich war nicht nur Fan der großformatigen Straßenkunstwerke, sondern nahm auch die kleinen Tags auf, über die Baudrillard schrieb: „Sie allein sind wild, denn ihre Botschaft ist gleich Null.“ (was ja nicht so ganz stimmt). (Da fällt, mir ein, dass du/Lajla vor einiger Zeit ja das Thema Straßenkunst angeregt hast).

    Noch 1 Merve-Buch für heute, das mir gut zu den Manafonistas zu passen scheint: es handelt sich um die „Autobiograhien New York – Berlin“ von Richard Kostelanetz, der sein Leben zu rekonstruieren versucht – anhand von Listen. Ich werde es in meine „Liste der Listen“ aufnehmen, die gerade im Entstehen begriffen ist. Aber zuerst werde ich mal den „Radikanten“ suchen.

  4. Martina Weber:

    Jean Baudrillard: Der unmögliche Tausch.

    Zitat S. 162: „Das ist das Entscheidende: Dem Denken gegenüber jeglicher Nutzung oder Finalität seine radikale Nutzlosigkeit, seine negative Prädestination zu bewahren.“

    Francios Jullien: Über das Fade – eine Eloge: Zu Denken und Ästhetik in China.

    S. 33: „Denn Weisheit besteht in nichts anderem als wahrzunehmen, daß Gegensätze, weit davon entfernt, ein für alle Mal in ausschließlicher Individualität blockiert zu sein, nie aufhören, einander zu bedingen und untereinander zu kommunizieren.“

  5. Martina Weber:

    @ Wolfram:

    Diese niedrigen Regalböden können tückisch sein. Ich empfehle, ab und zu die Bücherregale komplett umzuordnen, nach neuen Systemen. So lernen wir wieder unsere Bücher schätzen.

    Ich streiche auch in Büchern an, obwohl da die Gefahr besteht, dass dir plötzlich jemand „Haben oder Sein“ von Erich Fromm empfiehlt, dabei bin ich längst über das Buch hinaus und habe es bei meiner letzten Aufräumaktion (längst überfällig) in einen dieser öffentlichen Bücherschränke gestellt.

    Aber was ist diese mysteriöse „Liste der Listen“, die du erstellst? Klingt spannend, was du über das Buch von Richard Kostelanetz schreibst. Das schaue ich mir mal an.

  6. Lajla Nizinski:

    Mein erstes Merve Buch war Paul Virilio: Fahren, fahren, fahren. Dort habe ich mehr über Gleichberechtigung erfahren als Alice Schwätzer jemals hätte vermitteln können.

    Gebt bitte Rückmeldung, wenn Ihr Radikant gelesen habt.

  7. Michael Engelbrecht:

    Radikant ist was für Sylt …

  8. Martina Weber:

    Das Buch von Virilio scheint mir mehr Diskussionsstoff bieten zu können.
    Ich bestelle es gleich, Lajla :)

  9. Lajla Nizinski:

    Virilio beschreibt darin, wie wichtig es ist, den Kontakt zur Erde zu behalten. Also barfuß im Sylter Sand, das tut bestimmt gut.

  10. Martina Weber:

    Dabei habe ich mir extra für Sylt richtig coole Gummistiefel gekauft ;)
    Und wo liegt der Bezug von Virilios These zur Geschlechterthematik?

  11. Lajla nizinski:

    Ich hoffe, dass du die Gummistiefel auch bei Sonnenschein trägst :) Virilio beschreibt die Geschwindigkeit evolutionär und männlich. Von der Frau spricht er als „Transportmittel“, das dem Mann-Krieger den Rücken freihält.

    Sie schleppt also alles – bis das Pferd, der Wagen, die Eisenbahn, das Auto erfunden sind. Diese „metallischen Körper“ machen uns so gleich. Ach, du musst es lesen …

  12. Martina Weber:

    Ah, diese These. Trifft auf mein Leben allerdings gar nicht zu :) Ich freue mich trotzdem auf das Buch. Und berichte wieder.

    Ich hatte nicht vor, im Mai in der Nordsee zu baden. Deshalb könnten die Gummistiefel für Wanderungen am Meeresrand nützlich sein. Vielleicht auch für unsere Radtour. Also, du wirst sie sehen :)

  13. Jan Reetze:

    Niklas Luhmann: Archimedes und wir. Eine sehr unterhaltsame Sammlung von Interviews.

  14. Lajla Nizinski:

    Ich habe von Dirk Baecker das Merve Buch Postheroisches Management. Dort steht in dem Kapitel „Das Geheimnis der Wirtschaftsethik“, dass der Verdacht Luhmanns, die Moral diene nur allzu leicht dazu, gut gemeintes Handeln zu ermutigen, das in seinen Folgen oft misslingt und schlecht gemeintes Handeln abzublocken, das wohltaetige Folgen haben kann, nicht ausgeraeumt werden konnte.

    Wie kann es sein, dass Uli Hoeness 3 1/2 Jahre Gefaengnis bekommt fuer einen Steuerbetrug von 28 Millionen und jetzt als Freigaenger ein Vorbild fuer junge Fussballspieler sein soll und Achenbach, der AldiAlbrecht um 19 Millionen betrog, gestaendig ist in allen Punkten heute 6 Jahre Gefaengnisstrafe erhielt. Ja die Moral und sind nicht alle gleich vor dem Gesetz?


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