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2014 30 Okt

Daniel Lanois: Flesh And Machine (too

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Tags:  | 2 Comments

Another drone world. In parts. Daniel Lanois goes wild. With the volume turned low. Is „Drone Music“ a new, rediscovered, or „never-really-off-the-scene“-topic of some creative upheaval anno 2014? Think of Scott Walker, Swans, „Lumen Drones“ – and (in historic perspective) the reissue of „The Church of Anthrax“, this „hard-core-primitive-minimalism“ of John Cale and Terry Riley (1971). The man from Ontario is diving deep into his non-Canadian roots and textures – on a work without songs and singing. And now the next surprise: this record is not really a close relative to the „golden age“ of Mr. Lanois‘ „ambient classics“ he had created with Brian Eno in the Grand Avenue Studios in his old home in Hamilton (a long, long time ago). Only the track „Space Love“ may draw some parallels to the „Apollo“ dreamsphere with his pedal steel guitar singing softly, the instrument he loves to call „the church in my suitcase“. And if there is one other track that might be a heartfelt greeting to his old „compadre of strangeness“, it’s the haunted softness of „Iceland“. On nearly all the other compositions we seem to drift into a strange territory in the back of the artist’s mind. It may all appear like the ideal soundtrack for a town called Lonesome, where the streets have no names. The man who has produced U2, Peter Gabriel and other candidates for this nostalgia-driven „hall of fame“, keeps his most rewarding things for himself – and for the happy few who keep company. „Flesh & Machine“ is quite an unsafe journey. Do yourself a favour and don’t believe in campfires anymore! 

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2 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Ein Ort namens Flametop Green – Daniel Lanois im Interview (2005) zu dem Album „Belladonna“, dem weitgehend unbekannt gebliebenen Vorgänger von „Flesh and Machine“

    Wenn ich nur zwei Alben »produced by Daniel Lanois« mit nach Flametop Green mitnehmen dürfte, dann wären es Wrecking Ball von Emmylou Harris und Teatro von Willie Nelson. Wer sich auf diese beiden Meilensteine des »country noir« einlässt, dem kommt das Wort »atmosphärisch« nicht mehr so schwungvoll über die Lippen. Die Kunst des Daniel Lanois: Musik soll Verstecke haben und fließen – und nicht nach etwas klingen, das man mit einem Hammer in die Wand schlägt. Die beste technologische Arbeit führt zu einem rein musikalischen Ergebnis. Daniel Lanois versteckt die Nahtstellen seiner Arbeit, um diesen Flow zu bekommen.

    Nach seinem brillanten Songalbum Shine (2003) kommt nun ein ganz reiches Werk voller Merkwürdigkeiten heraus. Belladonna ist ein Gewebe voller Tücken und Schönheit. Es gibt keine Gebrauchsanweisungen. Brad Mehldau taucht auf, und Brian Blade auch.

    Vorletzte Jahrhundertwende

    Michael Engelbrecht: Dein Songalbum Shine und dein jüngstes Instrumentalalbum Belladonna sind ja im Grunde große Liebeserklärungen an unverbrauchte Klänge. Trotzdem ist überall Geschichte herauszuhören.

    Daniel Lanois: Über die Jahre habe ich meine Lieblingsinstrumente gesammelt – und für bestimmte Aufgaben greife ich auf sie zurück. Da sind bestimmte Gitarren, ich habe eine Les Paul aus den frühen fünfziger Jahren mit einem fantastischen Ton, und ich greife darauf zurück; ich hab ein altes Wurlitzer-Piano, und ich kehre immer wieder zu ihm zurück; ich besitze einen restaurierten Steinway-Flügel aus der Jahrhundertwende mit einem sanften Klang, ich greife darauf zurück. Und was die Zukunft betrifft, bin ich an neuer Technologie interessiert, begeistere mich für neue Werkzeuge und bringe sie in mein Arbeitsfeld ein. Aber es war schon immer so: ein Fuß in der Tradition, der andere in der Zukunft.

    Michael Engelbrecht: Das neue Werk beginnt mit »Two Worlds« und ziemlich beunruhigenden Soundwellen. Nicht gerade der einfachste Weg, einen Hörer in eine andere Welt zu locken!

    Daniel Lanois: Es war immer ein Traum von mir, eine Art von hartem überdrehten Sound mit Schönheit zu mischen. Und das ist eine schwierige Angelegenheit. Einige haben sich daran versucht, etwa »My Bloody Valentine« in den achtziger Jahren. Dieses Empfinden, solch überschießende Klänge könnten etwas Beruhigendes an sich haben … wie eine Schlaftablette! (lacht) Ich denke, es ist mir auf diesem Stück gelungen, den herrlichen Pedal-Steel-Sound mit dem wimmernden Klang einer getriebenen Gitarre zu koppeln.

    Michael Engelbrecht: Die Pedal-Steel-Gitarre ist sozusagen das Lead-Instrument deines neuen Albums. Ein Instrument mit viel Tradition – und manchem Kitsch im Gepäck …

    Daniel Lanois: Ich spiele die Pedal-Steel-Gitarre, seit ich ein Teenager bin. Das Instrument ist oft in einer sehr vertrauten Weise eingesetzt worden, etwa in der Countrymusik, und oft wurde es sehr schnell gespielt. Aber wenn du die Geschwindigkeit senkst, dann nimmst du eine Qualität wahr, die der menschlichen Stimme nahe kommt. Und dieser Teil interessiert mich! Die harmonischen Obertöne, die da möglich sind – und die Tatsache, wie da Fleisch über Stahl gezogen wird. Das enthält etwas Spezielles für mich. Die Pedal Steel ist in gewisser Art auch eine Verwandte des Theremins, dieses ersten elektronischen Instruments. So organisch der Klang auch wirkt, die Pedal Steel erinnert an einen elektronischen Instrumentensound.

    Kleine Ortskunde

    Michael Engelbrecht: Das Album beginnt mit roher Energie, doch mit dem zweiten Stück, »Sketches«, zeigt sich ein Panorama, ein weites Feld!

    Daniel Lanois: »Sketches« enthält etwas von dem Gefühl, das mich überkam, als ich Miles Davis in den sechziger Jahren hörte. Deshalb der Titel, für mich ist das Stück ein Cousin von »Sketches of Spain«. Dieses Gefühl, dass man in die Zukunft reisen kann mit traditionellen Sounds! Am Ende hört man meinen Freund Brad Mehldau am Piano wundervolle Kaskaden spielen.

    Michael Engelbrecht: Selbst auf deinen Songalben nutzt du oft die Möglichkeit, erstmal eine Szenerie zu entwerfen.

    Daniel Lanois: Ganz bestimmt, und was meine oft recht langen instrumentalen Passagen am Anfang von Liedern betrifft, ich mag genau das an der Musik der dreißiger und vierziger Jahre, wenn eine Big Band aufspielt und der Gesang erst sehr spät einsetzt. Wir hören das heute kaum noch, weil wir es so eilig haben, einen Song ans Laufen zu bekommen. Ich mag die Idee, Klassiker auf solche Weise neu zu erkunden.

    Michael Engelbrecht: Einige Stücke von Belladonna haben ein mexikanisches Flair. Zum Beispiel »Oaxaca«. Ich habe da vage Assoziationen an alte Gespensterfilme – vielleicht, weil da auch so oft ein Theremin durch die Bilder spukt. Und wegen dieser Geisterstimme!

    Daniel Lanois: Klingt nach einer Frau, nicht wahr, ist aber der Falsettgesang von Daryl Johnson! Wir haben das ganze Stück in einem Durchgang live aufgenommen – ich war der Dirigent in einem großen Orchesterstudio und hatte fünf Freunde um mich versammelt. »Oaxaca« hat das, was ich natürliche Tiefe des Gefühls nenne – da ist diese verfremdete Opernstimme, jemand trommelt auf das Vibraphon, ich sitze am Piano. So nimmt man heutzutage kaum noch Musik auf. Und Oaxaca selbst ist ein Ort, wo ich eine kleine mexikanische Reise begann. Es ist ein Ort mit einem speziellen Gefühl – als würde die Zeit stillstehen in den kleinen Dörfern der Oaxaca-Berge.

    Michael Engelbrecht: Deine Musik ist oft verknüpft mit Orten – »Flametop Green« klingt für mich nach einer Underground-Station im Norden von London, wo ich am besten beim nächsten Mal aussteigen sollte. Wo liegt Flametop Green wirklich?
    Daniel Lanois: (lacht) »Flametop Green« ist einfach nur, ganz früher, der Spitzname meiner ältesten Pedal-Steel-Gitarre gewesen …

    Nachtschattengewächse

    Michael Engelbrecht: Was Belladonna auch so spannend und unberechenbar macht, ist dein Spiel mit Polaritäten. Eines meiner Lieblingsstücke ist in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel – »Telco«.

    Daniel Lanois: »Telco« ist eine liebenswerte Vermählung von Technologie und melodischem Pianospiel. Ich schichtete am Anfang Bündel von Sounds mit der Pedal Steel übereinander, einen Overdub nach dem andern! Bald klang es nach Sirenen und nach Bomben, die in der Ferne losgingen. Darüber spielte ich eine einfache, zugleich wunderlich einprägsame Pianomelodie. Die zwei Gesichter unserer Zeit.

    Michael Engelbrecht: In letzter Zeit sind endlich die Klassiker von Brian Enos Ambient Music in einer exzellenten Klangqualität wiederveröffentlicht worden. Du hast an einigen mitgewirkt, etwa an Apollo. Hast du noch Erinnerungen an diese Zeit Ende der siebziger Jahre?

    Daniel Lanois: Sehr gute Erinnerungen. In diesen alten Zeiten war meine Musik eng verbunden mit der Ambient Music von Brian. Wir gingen ganz in unserem Laboratorium auf, schlossen die äußere Welt aus und widmeten uns mit voller Hingabe einer Musik, die damals als eher obskur wahrgenommen wurde. Die Musik wurde fast ausschließlich beeinflusst von unserer eigenen Leidenschaft. Es waren großartige Jahre des Experimentierens. Jetzt wird Apollo als ein bahnbrechender Klassiker erkannt. Zu der Zeit aber hatten wir einfach nur Freude an der Arbeit am Klang.

    Michael Engelbrecht: Raum ist eine Ebene der Musik von Belladonna, das Unheimliche eine andere. »The Deadly Nightshade« klingt schlicht himmlisch und erinnert von Ferne an einige Sphären von Apollo.

    Daniel Lanois: »The Deadly Nightshade« bezieht sich auf den Titel des Albums Belladonna. Es ist nur ein anderer Name für dieses Nachtschattengewächs, das psychedelische Kräfte besitzt. Wenn du zu viel davon nimmst, stirbst du. Das Stück ist eigentlich ganz einfach produziert, die meiste Zeit über nur eine Gitarre. Das Thema ist Verwandlung.

    Der Sound der Kristalle

    Michael Engelbrecht: Bei unserem letzten Gespräch erzähltest du von deiner Faszination für frühen Reggae, als die Musik noch sehr viel Naivität im besten Sinne besaß und die alte Musik von New Orleans und der Calypso noch spürbar waren. Gehst du ab und zu noch zu solch alten Platten zurück – auf der CD Shine hast du ja auch einmal ein Bluesmotiv mit einem »Skank« gekreuzt.

    Daniel Lanois: Es gibt eine CD, auf die mich The Edge hingewiesen hat, eine Serie von Kompilationen, die erste heißt 100% Dynamite. The Edge, ein paar andere Leute und ich bereiteten ein Picknick vor, und er legte diese Musik auf; sie brachte einen Schwall von Erinnerungen an die frühe Zeit des Reggae zurück – dies war ja der jamaikanische Rock’n’Roll. Ich kann diese Zusammenstellungen von Soul Jazz Records nur wärmstens empfehlen. Stücke wie »Funky Kingston« sind sehr erregend und roh. Eine gute Erinnerung daran, nie den Kontakt zu verlieren zum Rohzustand und zur Rauheit in der Musik!

    Michael Engelbrecht: Was das Raue und Rohe angeht, hast du mit der Produktion von Emmylou Harris ein bemerkenswertes Album produziert, das mit dunklen Atmosphären und einem ganz eigenen Sound unter die Haut geht.

    Daniel Lanois: Wir brachten für die Aufnahme von »Wrecking Ball« ein sehr gemischtes Team zusammen. Der Mix der Charaktere hat viel mit dem Resultat zu tun. Ich mochte es immer, verzweifelte Seelen einer bestimmten Sorte einzuladen. Larry Mullen am Schlagzeug wirkt hier recht überraschend, aber ich kenne seine Faszination für Countrymusik; und für mich hatte er hier die Gelegenheit, seine Leidenschaft auszuleben – an den dunklen Rändern von Country – und einmal aus dem »System« U2 auszusteigen. Der Bassist kam vom Funk. Keine homogene Einheit, und doch konnte man bald die Logik hinter dem Wahnsinn erkennen. Ziemlich früh stießen wir auf einen aufregenden Sound, Ich nannte ihn den »Sound der Crystals«. Die Crystals waren eine Vokalgruppe aus den frühen 60ern mit einem mysteriösen und energetischen Sound. Mir war nie klar, wie sie diesen Sound hinbekamen, vielleicht war es sogar eine Phil-Spector-Produktion. Ich stieß nun zufällig darauf, hatte die Kopfhörer auf, war mit Emmylou im Studio, sie sang, und am Ende des Liedes sagte ich zum Toningenieur Malcolm Burn: »Berühre nichts, nimm deine Hände vom Mischpult, ich will analysieren, was wir da haben!« – es war etwas Besonderes, ich wollte diesen Sound nicht einfach festlegen, ich wollte ihn betonen, gestalten, verstärken. Und es war der Sound der Band, der sich in Emmylous Mikrofon hineinschlängelte; zwischen ihren Gesangslinien und all der Kompression, die wir benutzten, entfalteten sich die Instrumente wie in einem Atompilz. Ich entschied, dass die Musiker ganz dicht bei Emmylou spielen sollten.

    Zu guter Letzt die Wüste

    Michael Engelbrecht: Belladonna endet, wie es begonnen hat, mit einer unheimlichen Stimmung – was hat es mit »Todos Santos« auf sich?

    Daniel Lanois: Todos Santos ist erst mal ein Ort in Mexiko, wo ich längere Zeit gelebt habe. Ich denke, diese hinreißende Symphonie, die in dem Dunst und Gemisch dieser letzten Komposition existiert, passt sehr zu meinen Empfindungen in der Wüste dort. Das Lauteste, was du hören kannst, ist eine Fliege, die vorüberfliegt. »Todos Santos« bezieht sich auf die Wüstenversion von Stille. Du kommst dorthin, wenn du Tijuana durchquerst, die Richtung Süden beibehältst – es geht immer tiefer ins Innere von Mexiko. Und nach vielleicht vier Stunden kommst du in dieser Wüste an, in der die Dinge sehr still werden. Von diesem Ort stammt das Gefühl für die Musik von »Todos Santos«.

  2. Michael Engelbrecht:

    A new interview with Daniel Lanois:

    http://thequietus.com/articles/16566-daniel-lanois-interview


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