Da bekommt einer nicht das, was er will, und möchte wenigstens von seinem Scheitern erzählen, und dabei entdeckt er unerwartet neue Perspektiven. So könnte man die Metageschichte hinter Wim Wenders modernem Klassiker „Der Stand der Dinge“ zusammenfassen. Anfang der 80er Jahre musste Wenders in Los Angeles die Dreharbeiten zu „Hammett“ wegen fehlender finanzieller Mittel abbrechen. Das gleiche Desaster passierte seiner Freundin als Schauspielerin mitten in einem Projekt in der Nähe von Lissabon. Wenders brachte Filmmaterial aus privaten Beständen von Berlin nach Portugal, um den Film zu retten. Er beobachtete zwei Tage lang die Dreharbeiten und war so begeistert, dass er sofort mit dem gleichen Team weiterdrehen wollte. Einen Film ohne Drehbuch, mit vorgefundenen Schauspielern, vorgefundenem Thema – dem Scheitern eines Filmes aus finanziellen Gründen – und vorgefundenem Drehort, einem zauberhaften zerfallenden Hotel am Strand.
Anfang der 80er, Zeit des Wettrüstens. Da lag es nahe, als Film im Film ein paar Überlebende einer Atomkatastrophe mit visionären Sonnenbrillen durch eine vernichtete Landschaft wandern zu lassen. Die einzige Farbfilmpassage, sie wurde abgebrochen, weil die letzte Filmrolle aufgebraucht war, und die eigentliche Story begann: Drehpause, Warten. Schauspieler in der existenziellen Grundsituation: wie sollen wir weitermachen? Wenders entwickelt ab hier den Film zunächst ganz aus den Charakteren heraus und er nutzt deren Talente und Eigenheiten. Da gibt es diejenigen, die sich mit einem Buch oder mit der Geige zurückziehen, andere kümmern sich um ihre Kinder, wieder andere um sich selbst oder sie plaudern miteinander oder fangen Liebesbeziehungen an. Eine Weile wirkt alles wunderbar frei und lässig. Die Energie einer Fingerübung. Dann erfährt der Kameramann vom Tod seiner Frau und verschwindet. Der Regisseur macht sich auf nach Los Angeles, um den Produzenten zur Rede zu stellen und Gelder zu organisieren. Der dritte Teil spielt in Los Angeles, wo es zur Begegnung von Regisseur und Produzent kommt, eine ziellose Fahrt in einem Wohnmobil.
Wim Wenders wollte in „Der Stand der Dinge“ das Scheitern des Filmemachens zeigen, dabei hat er das Geschichtenerzählen neu entdeckt. Besonderes Lob gebührt hier dem Kameramann Henry Alekan, der so gekonnt mit dem Licht gearbeitet hat, dass ihm sämtliche Abstufungen zwischen schwarz und weiß geglückt sind. Der „Stand der Dinge“ ist auch ein Film, der in seiner Entstehungszeit ruht. Diese wunderbar unprätentiösen Frisuren und technischen Geräte (Kassettenrecorder, Walkman, Polaroid- und Filmkameras für die Kinder und wie auf einem Apple endlos lange Zeit ein paar Bilder und Dateien geladen werden). Heute hat das Kino andere Probleme. Das technische Equipment ist günstiger geworden. Eine wochenlange Drehpause: undenkbar. Und was die Crew in der Wartezeit manchen würde? Wahrscheinlich würden alle beim Anblick auf ihre Bildschirme erstarren.