Manafonistas

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2014 9 Jan

In den sauerländischen Bergen

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 4 Comments

Der neue Stoff kommt aus Kalifornien. Schliesslich habe ich mir vor Jahren eine multiple Analgetika-Allergie eingefangen, was im Klartext heisst, dass ich im weiten Feld der Schmerzmittel nur Paracetamol und Morphium und seine Derivate vertrage. Da aber in meinem leicht unangenehmen Nierensteindesaster von 2012 Novalgin das Mittel der Wahl sein sollte, liess ich es mir, da dies als letztes noch nicht auf allergische Potentiale getestet war, verabreichen, der Brutalschmerz löste sich in Luft auf, leider verschwand ich selbst dabei auch fast von der Erdoberfläche. Das Asthma breitete sich in Minutenschnelle aus, und hochdosiertes Cortison konnte das Schlimmste verhindern. Jetzt habe ich einen Arzt gefunden, mit dem ich meine Möglichkeiten im Umgang mit Schmerzen (Desensibilisierung) erörtern werde. Da auch dem guten alten Marihuana in bestimmten Fällen schmerzlindernde Qualitäten zugeschrieben wird, lasse ich mir für den privaten Gebrauch bestes Gras aus den kalifornischen Bergen zusenden, natürlich nur für den therapeutischen Zweck. Ich rauche nicht, ich trinke nur selten etwas, und dann fast nur Rotwein von meiner Lieblingsranch aus New South Wales. Und gekifft habe ich auch nur ca. zehnmal in meinem Leben, ohne dass ich das je beeindruckend fand. Aber jetzt kommt ja auf verschlungenen Wegen, zu einer Berghütte im Sauerland (ich teile sie mit dem Club der unermüdlichen Spaziergänger) eine Lieferung der feinsten Art. Kein Duchschnittszeug, kein Wegschädler. Ich komme darauf, weil mich vor einer Woche ein kurzer Schmerz durchfuhr, unter der Dusche, die Quelle schien mein Hoden zu sein. Tatsächlich verspürte ich dann, wer spielt schon regelmässig mit seinen Eiern, dass mein rechtes grösser als mein linkes schien. Geschwollen! Mir fielen gleich zwei Menschen ein, die das Zeitliche mit Hodenkrebs gesegnet hatten, und ich war irritiert. Sofort recherchierte ich mit den noch klar agierenden Teilen meines Verstandes nach dem besten Urologen Deutschlands, und besorgte mir einen Eil- und Nottermin. Ganze Arbeit: der Mann vereinte alle Qualitäten, die einen guten Arzt ausmachen: Sachlichkeit, Empathie und Humor. Er ist zwar Schalke-Fan, aber wenn man ehrlich ist, gehört das zu den verzeihlichen Sünden. Auf jeden Fall bekam ich einen gründlichen Einblick in meine Ultraschallverhältnisse, und auch das professionelle Abtasten meines Hodens gab zu besten Hoffnungen Anlass. Eine hypochondrische Attacke? Womöglich. Ich bin übrigens tatsächlich der Meinung, dass nichts über einen klaren Geist geht, und dass einen Musik allein (ohne Drogen) an die aufregendsten Orte transportieren kann. Aber der klare Geist und ein natürlicher Rauschzustand (Euphorie, Meditation, Glückseligkeitsmomente, tiefes Gefühl der Verbundenheit mit ausgewählten, anderen Wesen) schliessen sich ja auch nicht aus. Also sitze ich jetzt auf meiner Hütte, habe meine Holzpfeife bekommen und genaue Anweisungen. Im ersten Traum nach meiner Bergankunft fuhr ich mit den Eagles durch einen verlasssenen Teil Arizonas. Zu diesen verrückten Bäumen, dort, wo sie nach einer durchwachten Nacht die Fotos zu einem berühmten Albumcover schossen. Einer aus der Band schlich um die Bäume und fiel in eine Mulde. Der Adler, der über ihm kreiste, schien grimmig zu frohlocken – Du, ein Adler? Vergiss es! Ich war nie sonderlich an dieser Band interessiert, doch hat die brilliante BluRay „The Story of the Eagles“ mir da ein Fenster geöffnet: eine schmerzhaft ehrliche Dokumentation von Höhenflügen und Abstürzen (wahlweise in die die Hölle oder die Mittelmässigkeit). Am ersten Tag nach meiner Ankunft hier (nicht weit von der Balver Höhle, wo früher ein berühmtes Jazzfestival war), legte ich an die zwanzig Kilometer zurück, bergrauf, bergrunter, mit etlichen Kunstpausen. In einer Talsenke hörte ich einen Menschen brüllen. er beschimpfte einen Hund ohne Unterlass, der auf seinen Pfoten hockte und nur hilflos auf den Mann starrte. Der Typ (der, wie bald klar wurde, den Hund entführt hatte) war ein verrunzeltes dickes Männchen, das dem Tier mit sinnlosen Hassattacken zusetzte. Ich sah zu spät, wie er eine Schusswaffe zog, und ihm, begleitet von diversen Verwünschungen, in den Kopf schoss. Im Nu war war ich bei dem Hutzelmännchen, und brach ihm mit einem Tritt die rechte Kniescheibe. Der Hund war tot, sein Entführer wandt sich unter Schmerzen. Mit einem weiteren Schlag brach ich ihm die Nase, stellte sicher, dass er bei Bewusstsein blieb, und benachrichtigte mit seinem Handy den Rettungsdienst. In der Hütte stellte ich mich unter die eiskalte Dusche. Und hörte „Hotel California“.

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4 Comments

  1. Uwe:

    Deine Erlebnisse nachts als luziden Traum haben, das waer‘ was ! :-D

  2. Michael Engelbrecht:

    Nierensteine lassen sich im luziden Traum halt als Chimäre entlarven und mit einem Augenzwinkern zertrümmern, das ist schon ein Vorteil.

  3. Michael Engelbrecht:

    Es ist ja wirklich nicht so ganz meine Welt, aber von Herrn Don Henley soll es 2014 ein neues Soloalbum geben, nach langer Zeit. Die „Story of the Eagles“ ist eine überragende Doku, und somit auch für Nicht-Fans und Zeitreisende sehr spannend. Man muss nur etwas Hippieblut in den Adern fliessen haben.

  4. Uwe:

    Gern hoere ich von einem neuen Soloalbum von Don Henley, allein: das letzte Album, „Inside Job“ fand ich erstaunlich nichts sagend …

    Aber immer wieder bis zum Abwinken: „The End Of The Innocence“ (von Bruce Hornsby geschrieben) und „The Last Resort“ (vom „Hotel California“ Album)


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