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2013 6 Mai

Ein Wiedersehen mit den Blumen des Bösen

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 1 Comment

In einer Email unterrichtete mich unserer früherer Klassensprecher H.W., dass er wohl an unsere alten Abiturarbeiten herankomme, die in einem Archiv seit Jahrzehnten schlummern würden. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das ein „Fake“ ist, um uns möglichst zahlreich zum baldigen Klassentreffen begrüssen zu können, und uns dann das Scheitern seiner Nachforschungen mit einer netten Story schmackhaft zu machen. Auch weiss ich nicht genau, was an solchen Abiturarbeiten so verlockend ist, ausser, wenn mit ihnen eine besondere Erinnerung verknüpft ist. Nun, die schriftliche Französisch-Prüfung würde ich zu gern wieder lesen, denn sie war auch das Produkt einer ausgefeilten Vorbereitung. Meister Wienecke war unser Franz-Pauker, rotblondes Haar,schnell errötend, ein grundfreundlicher Zeitgenosse mit einem Faible für Charles Baudelaire. Etliche Gedichte aus den „Fleurs du Mal“ deuteten wir im letzten Schuljahr, allerfeinste dunkle Gedichte, die die leicht Verträumten unter uns durchaus beeindruckten. Es war naheliegend, dachte ich mir, dass uns auch im Abitur eine „Blume des Bösen“ begegnen würde. Und so trommelte ich drei weitere Klassenkameraden zu einem konspirativen Treffen zusammen. Binnen kurzer Zeit erledigten wir folgenden Job: wir strichen alle Gedichte durch, die im Unterricht durchgenommen worden waren. Wir strichen weiterhin alle Gedichte durch, deren Symbolik zu verquast war, und deren Anspielungsreichtum weit über unseren Wissensschatz hinausging. Es blieben an die acht Texte, die wir fleissig übersetzten und gemeinsam bis in ihre hintersten Winkel deuteten. Eins davon kam wirklich dran. L’albatros. Wir grinsten uns über die Schulbänke zu und waren auf der ganzen Linie erfolgreich.

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1 Comment

  1. Michael Engelbrecht:

    Souvent, pour s’amuser, les hommes d’équipage
    Prennent des albatros, vaste oiseaux des mers,
    Qui suivent, indolents compagnons de voyage,
    Le navire glissant sur les gouffres amers.

    À peine les ont-ils déposés sur les planches,
    Que ces rois de l’azur, maladroits et honteux,
    Laissent piteusement leurs grandes ailes blanches
    Comme des avirons traîner à côté d’eux.

    Ce voyageur ailé, comme ils est gauche et veule !
    Lui, naguère si beau, qu’il est comique et laid !
    L’un agace son bec avec un brûle-gueule,
    L’autre mime, en boitant, l’infirne qui volait !

    Le Poète est semblable au prince des nuées
    Qui hante la tempête et se rit de l’archer ;
    Exilé sur le sol au milieu des huées,
    Ses ailes de géant l’empêchent de marcher.


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