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2013 14 Feb

Meine JazzFacts-Sterne

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog,Musik aus 2013 | TB | 1 Comment

Wayne Shorter Quartet: Without A Net **** – ohne Netz, aber mit doppelten Böden, ungebändigter Jazz, destilliert aus einer Europatournee und einem grossen Auftritt mit dem Imani Wind-Ensemble, das kühnes Komponsieren und alten Pioniergeist eins werden lässt BLUE NOTE

Arve Henriksen: Solidification **** – grossartige Solo-Werkschau des norwegischen Trompeters und Multiinstrumentalisten auf 7 Schallplatten. Klangreisen zwischen japanischen Zen-Gärten und abgeschiedenen Kindheitsräumen, dazu ein Besuch im Klanglabor des Herrn Henriksen RUNE GRAMMOFON

Fire! Orchestra: Exit! **** – Mats Gustafsson inszeniert ein furioses Gebräu aus Free Jazz und Krautrockmotorik RUNE GRAMMOFON

Stefano Battaglia Trio: Songways – *** – fein schattierte Empfindungswelt, meditativ, unkitschig, mir persönlich dennoch eine Spurt zu weihevoll ECM

Charles Lloyd – Jason Moran: Hagar’s Song **** – Bewegende Hommage an die Ururgrossmutter und ihre mit Würde ertragene, tragische Vita, und lauter Evergreens, die verblüffend tief gehen, allerbeste Hausmusik aus Kalifornien! ECM

Tomasz Stanko & New York Quartet: Wislawa **** – ein Fuchs, der Pole in New York: erst denkt man das alles schon zu kennen, diese immer wiederkehrenden Balladen, dann aber greift der „flow“ auf den Hörer über, mit heiseren Sounds und wilden Tönen zwischendurch ECM

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1 Comment

  1. Michael Engelbrecht:

    JazzFacts – Neues von der improvisierten Musik,
    15.02.2013 – 1.05 Uhr bis 2.00 Uhr – mit Michael Engelbrecht
     
    Mod 1 – Herzlich willkommen zu Neuem von der improvisierten Musik, mit Michael Engelbrecht. Neben einer speziellen, dem norwegischen Trompeter Arve Henriksen gewidmeten Werkschau, einem furiosen Free Jazz-Projekt des Schweden Mats Gustafsson und einer so strengen wie poetischen Pianotriomusik des Italieners Stefano Battaglia, ist dies auch eine Dreiviertelstunde über die ungebrochene Kreativität von Altmeistern. Charles Lloyd, 74, und Tomasz Stanko, 70 Jahre alt, sprechen über ihre jüngsten Produktionen.

    Wayne Shorter wird im kommenden Jahr 80. Mit der neuen Arbeit seines seit gut 12 Jahren existierenden Quartetts „Without a Net“ ist er zwar zu seinem alten Label Blue Note zurück gekehrt, aber nicht zu alten Ufern: sein Wille zum Experiment ist gegen alle Alterungsprozesse immun, seine Kapriolen schlagende Spielweise auf Tenor- und Sopransaxofon widersteht allem Vorhersehbaren.

    Speziell seinem Sopransaxofon entlockt er mal lyrisch versponnene, mal schneidend scharfe Töne, die jeder Erinnerungsschwelgerei widerstehen – ein Jan Garbarek könnte da ins Grübeln kommen! Nun wurden aus dem Fundus von Live- Aufnahmen, die überwiegend von der letzten Europatournee stammen, herausragende Momente ausgewählt, die zu einer vielgestaltigen Einheit finden.

    Selbst wenn Shorter mit seinen Mitstreitern Danilo Perez, Piano, Brian Blade, Schlagzeug und John Pattitucci, Bass, gelegentlich Stücke aus fernen Jahrzehnten aufsucht, wird der vielbearbeitete Stoff nicht gefällig fürs Musuem aufbereitet, sondern als Blaupause für neue Ideen hergenommen. Orbits eröffnete einst die Platte Miles Smiles von Miles Davies, schon da war Wayne Shorter mit von der Partie. Ganz anders, und ungezähmter, klingt es jetzt, auf der CD WITHOUT A NET …
     
    1) Wayne Shorter: Orbits, aus WITHOUT A NET
     
    Mod 2 – Orbits, aus dem neuen Album Without A Net des Wayne Shorter Quartet. Natürlich kennt der seit Jahren neben Warschau in New York lebende Trompeter Tomasz Stanko den Sitz von Wayne Shorters altem und neuen Label Blue Note in der Fifth Avenue, er hat in seiner Musik über Jahrzehnte das amerikanische Erbe des Jazz mit osteuropäischen Folktradtionen verschmolzen – ein Meister der intensiven, für raffinierte Beschleunigungen offenen Balladen, bei denen auch eine archetypisch einsam im Raum sich verlierende Trompetenfigur so wenig klischeehaft wirkt wie einst bei Miles Davis. Und der Free Jazz wird hier zum Spurenelement. „Thoughts that visit me on busy streets“ lautet der Titel eines Gedichts von Wizlawa Zymborska, und solche „Gedanken, die mich auf geschäftigen Strassen besuchen“, kennt Stanko gewiss auch von seinen täglichen Spaziergängen durch die grosse Stadt. „Anlässlich der ECM-Ausstellung „Eine Kulturelle Archäologie“ gab Tomasz Stanko mit seinem New York Quartet ein Exklusiv-Konzert im Münchner Haus der Kunst und spielte dabei Material aus seinem neuen Doppel-Album „Wizlawa“. Zuvor hat er sich mit Ssirus W. Pakzad eingehend unterhalten.“
     
    B1 Tomasz Stanko umd sein neues Album (Beitrag von Ssirus Pakzad)
     
    Mod 3 – Sirus Pakzad über die neue Doppel-Cd WIZLAWA des polnischen Trompeters Tomasz Stanko. Zu einer jüngeren Generation experimentierfreudiger Trompeter zählt der Norweger Arve Henriksen. Nun veröffentlicht das Label Rune Grammofon in einer u.a. sieben Schallplatten umfassenden Box die gesammelten, bei Rune Grammofon erschienenen Solowerke des Trompeters und Multiinstrmentalisten: Sakuteiki, Chiariskuro und Strjon werden auf jeweils zwei Langspielplatten präsentiert, mit zusätzlichen Fundstücken aus den jeweiligen Aufnahmesessions.

    Und da wird, im Rückblick, deutlich, wie Henriksen in gelungenen Mischungsverhältnissen Elemente seines feinstofflich expressiven Trompetenspiels kreuzt mit Anklängen an exotische und erinnerte Räume (zwischen Japan und der eigenen nordischen Kindheit) sowie jazzfernen Atmosphären der Ambient Music. Wenn seine Trompete wie eine Shakuhachi tönt, wie auf Sakuteiki, träumt sich Henriksen voller Klangaskese in die wohltuende Leere eines Zen-Gartens. Wenn er die eigene engelsgleiche Stimme als Erweiterung der Sounds seiner Trompete ins Spiel bringt, wie auf Chiaroscuro, erhalten die ohnehin fragilen Klanggebilde eine surreale Färbung. Wenn er in der Erforschung seiner Kindheitsräume rauhere Sounds integriert, wie auf Strjon, unterläuft er jede naiv-nostalgische Naturromantik.

    Das ganz neue Opus dieser mit dem Obertitel SOLIDIFICATION versehenen Vinyl-Box betrifft die siebte Langspielplatte: Cron. Eine Sammlung von Stücken, in denen Henriksen oft auf Trompete und Gesang verzichtet: sein Spiel mit Keyboards und Perkussion, Instrumenten also, die Arve Henriksen nicht virtuos, nach allen Regeln der Kunst, beherrscht, verhindert ganz bewusst eine Perfektionierung des eigenen Stils; an Stagnation und sonstiges Sterben in Schönheit hat der Norweger kein Interesse und setzt an dessen Stelle auf das Unfertige, Rohe, Fragmentierte. Cron ist ein Einblick ins Klanglabor des Norwegers.

    Solidification … 1’50
     
    2) Arve Henriksen, Solidification, aus SOLIDIFICATION
     
    Mod 4 – Musik aus der Lamgspielplattensammlung SOLIDIFICATION von Arve Henriksen, erschienen beim Osloer Label Rune Grammofon: Rückschau und Vorausschau in einem. Solch eine Balance zwischen musikalsichem Erbe und vorwätsdrängenden Visionen meistert seit vielen Jahren auch der schwedische Free Jazz-Saxofonist Mats Gustafsson. In immer neuen Zusammenhängen taucht sein Free Jazz da auf, als Teil elektronscher Szenarien, als rauhe Beimischung in rockigen Gesangsweltem, als geräuschvolle Post-Free-Fusion-Unternehmung seiner Formationen Fire! oder The Thing.

    Jüngst hat er sein Trio zum Fire! Orchestra aufgestockt – unter dem Titel Exit! liegt nun ein Konzertdokument aus Stockholm vor, und alle, die kein gespaltenes Verhältnis zum Free Jazz und archaischen Varianten des deutschstämmigen Krautrock und der nordischen Folklore haben, könnten sehr angetan sein von dieser tour de force (für solche eruptiven Klangströme wurde einst dieser Ausdruck der Jazzkritik geprägt) – in klar strukturierten Sektionen, und nicht ohne manch notierten Bläsersatz, entwickelt sich hier in einer 27-köpfigen Formation ein freigeistiges, vom Free Jazz befeuertes Abenteuer, das eben nicht munterem Chaos fröhnt, sondern jede ausgebarbeitete musikalische Form konsequent ihrer eigenen Selbstauflösumg entgegen treibt: formbewusste Exstase ist Programm. Hier ein Ausschnitt aus Exit! part 1

     
    3) Fire Orchestra
     
    Mod 5 – Exit!, von Mats Gustafsson und seinem Fire! Orchestra, heute im Handel erschienen, und auch erhältlich über die Webseite von Rune Grammofon. Den grösstmöglichen Kontrast zu dieser Produktion stellt das neue Werk SONGWAYS des Stefano Battaglia Trios aus Italien dar. War sein letztes vielgerühmtes Trio-Album eine pulsierende, energiegeladene Musik, die manch euphorisietende Rhythmik eines Keith Jarrett auf als Inspiration verarbeitete, so zielt die durchweg lyrische Gestimmtheit von SONGWAYS in weitaus ruhigere Gefilde: ihm gehe es, sagt Battaglia, um eine „neue harmonische Balance zwischen archaischen modalen, nicht tonal gebundenem Gesang und Tanz auf der einen Seite, und um rein tonale Lieder, Hymnen abstrakte Texturen auf der anderen.“

    SONGWAYS präsentiert in sich gekehrte Musik, die eine fein schattierte Empfindungswelt der Melancholie und Nachdenklichkeit erforscht. Das Umkreisen einzelner Kernmelodien wird mit grosser Ruhe und Reduktion betrieben, Salvatore Maiore am Bass und Roberto Dani am Schlagwerk treiben die Subtilität auf die Spitze, die berüchtigten umgespielten Klänge sind genauso beredt wie der Raum zwischen den Klängen. Morton Feldman ist hier näher als jede Jazzclubatmosphäre. Solch eine verinnerlichte Misik entzieht sich leicht in pure Hintergründigkeit. Eine frei schwebende Aufmerkamkeit ist die beste Voraussetzung, sich in Stefano Battlaglias neue Musik einzufühlen. Abidas.
     
    4) Stefano Battaglia Trio: Abidas
     
    Mod 6 – Abidas, aus der Cd SONGWAYS des Stefano Battaglia Trios. Für grosse amerikanische Songs hat Charles Lloyd stets ein offenes Ohr, auf auf seinem neuen Duoalbum HAGARS SONG mit dem Pianisten Jason Moran interpretiert er u.a. gar GOD ONLY KNOWS von den Beach Boys. Schliesslich war Llloyd auch einmal ein Popstar des Jazz. Als einer der weniger Musiker seines Fachs schaffte er es in den Sechzigern, auf großen Popfestivals auszutreten und seine Platten in Millionenauflage zu verkaufen. Seitdem sind einige Jahre ins Land gegangen und der Saxofonist aus Memphis, Tennessee reifte vom Freak zum alten Meister der dezenten Jazzmoderne. Ralf Dombrowski hat sich mit den beiden Künstlern in München über HAGARS SONG unterhalten.
     
    B2 Charles Lloyd / Jason Moran und ihr neues Duo-Album (ein Beitrag von Ralf Dombrowski)
     
    Mod 7 – Ralf Dombrowski stellte hagars song vor, von Charles Lloyd und Jason Moran. Am 15.März feiert der Amerikaner seinen 75.Geburtstag. Aus diesem Grund erscheint dann eine Box mit den fünf CDs, die er für das Münchner Label ECM aufgenommen hat. Zum Finale der heutigen Ausgabe der JazzFacts mit Neuem von der improviserten Musik nun ein weiteres Stück aus der CD WITHOUT A NET des Wayne Shorter Quartett, „Myrrh“. „Spielt man ein Instrument, oder spielt man das, wonach man sich sehnt? ,Wenn es nur darum geht ein Instrument zu beherrschen, kann das Ergebnis ganz schön langweilig sein“, bemerkte er jüngst in einem Interview. Man höre sich nur das folgende Solo auf dem Sopransaxofon an, und man weiss, dass Wayne Shorter selbst wenn er schräge, vermeintlich falsche Töne spielt, es genau die richtigen sind! Am Mikrofon bedankt sich Michael Engelbrecht für Ihre Aufmerksamkeit.
     
    5) Wayne Shorter Quartet: Myrrh, aus Without A Net
     
    The End


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