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Archives: Oktober 2011

Auf dem Beckerweg, am "Teufelskamin"

Auf dem Beckerweg, am Teufelskamin (Nordschwarzwald)

Thomas Weber über die Komposition „Teufelskamin Jam“:

Der Teufelskamin Jam #1 ist unsere Variante eines Boogie. Transatlantisches Feedback inklusive! Um den großen amerikanischen Freigeist Jim Dickinson  zu paraphrasieren: World Boogie is coming. Das Stück ist eine Collage aus einem über 45 Minuten langen Jam-Gebet, das wir im Frühjahr live im Faust(sic!)-Studio in Scheer (direkt an der Donau gelegen) aufgenommen haben.

Der richtige Teufelskamin (der Name hat alles, was wir brauchen: „brimstone & fire“, Blues, Literatur, Süden & darkness… me likes it a lot) steht auf einem der höchsten Berge im Nordschwarzwald und ist eine offene Verwerfung im Sandstein, die sich als 20 m tiefe Höhle herausstellt. Im Winter raucht es wirklich raus. No kidding. Und wir? Wir irren des Nachts im Kreis umher und werden vom Feuer verschlungen. Im Feuer finden wir: ein blechernes Brummeisen, ein lungenkrankes Harmonium, eine mürrische Gitarre, einen staubigen Kontrabass, einen extraterrestrischen Synthesizer und ein angeknabbertes Fender Rhodes. Räucherstäbchen waren keine im Spiel. This is not America!

Auf der KrimiZeitBestenliste Oktober thront der neue Roman von Norbert Horst ganz oben. Und er ist eine angenehme Überraschung. Endlich mal ein guter Krimi, der in meiner Heimat spielt. Essen habe ich schon immer beneidet um Jürgen Lodemann und seinen Roman vom Viehofer Platz. Schimanski hat sich Duisburg zum Revier erkoren, und ist nur einmal zu Dreharbeiten ins Westfalenstadion gekommen, weil an der Wedau die Stimmung im Keller war. Jetzt wird auch ein Tatortkommissar für Dortmund aktiv, der erste Tote soll auf einer Halde gefunden werden, wie originell!

Steiger ist der Kriminalbeamte in Horsts neuem Buch: ein 50-something, der sich lange genug an seinen Illusionen gerieben hat, aber immer noch Leidenschaft entwickeln kann, wenn Fälle nach Vorschrift abgeschlossen werden, die mehr Fragen als Antworten enthalten. Er ist ein Wühler (nach dem Tod seines Vaters wühlt auch die Vergangenheit in ihm, eine weitere Ebene des Buches!). Und so ermittelt er auch jetzt auf eigene Faust, handelt sich dabei zwangsläufig jede Menge Ärger ein. Über die Geschichte selbst an dieser Stelle kein Wort, nur soviel: der Plot ist durchweg spannend inszeniert, mit gekonnten Verschiebungen der Zeit- und Erzählperspektiven: wie sind wir die geworden, die wir sind, und wie viele Optionen haben wir noch – eine Kernfrage guter Kriminalromane. Was das Buch rundum gelungen macht, sind vor allem die lebendigen Dialoge, der Blick für Details: die Freundschaft zwischen den Polizisten Steiger und Bato wird nicht zur Kumpanei mit stereotypen Floskeln. Auch die Amtsschimmel und Kreativitätsverhinderer vom Dienst werden nicht nach Schema F durch die Manege geführt.

Dieses Buch hat auch rein gar nichts für die Tourismusabteilung des Ruhrgebiets zu bieten. Das Leben an den Randzonen, die Aus-der-Ordnung-Gefallenen werden keineswegs mit idyllischem Lokalkolorit lesefrendlich aufbereitet. Es wimmelt in dem Buch auch nicht von Litfasssäulen und Pommesbuden. Norbert Horst ist ein fesselndes Leseabenteuer geglückt, das die Konventionen des Genres gewiss nicht hinter sich lässt, aber dennoch weit über dem Durchschnitt liegt.
 
 
 

 
 
 
P.S.: Dass Steiger Schalke-Fan ist, nehme ich gelassen zur Kenntnis. Ein bisschen Schadenfreude meinerseits muss er ertragen, als er in Gelsenkirchen etwas bedäppert erlebt, wie S04 gegen den BVB dank Kagawa und Co. 1:3 eingeht. In der Meistersaison. Und die Eisdiele in Dortmund-Hombruch kenne ich auch gut. Sollte das Buch mal verfilmt werden, dann bitte mit Joachim Krol in der Rolle des Steiger. Wäre schon schön zu sehen, wie Krol den Schalke-Fan gibt, ist er doch mit Haut und Haar ein alter Borusse.

The Correct Use of Soap-2007 Digital Remaster

Magazine sind wieder da, eine Post-Punk-New-Wave-Kapelle um Bandleader Howard Devoto, die 1981 ihr letztes Album aufnahmen. Hier zur Auffrischung der Erinnerung, bzw. zum Kennenlernen, ein Song aus ihrem vielleicht besten Album, SECONDHAND DAYLIGHT.  Ähnlich dunkelleuchtend auch das dritte Opus der Band THE CORRECT USE OF SOAP. ich erinnere mich, wie begeistert John Peel davon war, und wie gekonnt Magazine bei dem „korrekten Gebrauch der Seife“ Anleihen bei Sly & The Family Stone unternahmen. Ersten Meldungen zufolge sollen Magazine mit dem neuen Album  nahtlos an die alte Zeit anknüpfen, was auch mal ein Segen sein kann, und kein Fluch.

https://www.youtube.com/watch?v=fCzSeeiAFqQ

Thomas Weber über zwei Stücke des Albums:

“Shangrila” oder auch Shangri-La ist bei uns nicht das ua auch aus Led Zeps “Kashmir” bekannte, verheißungsvolle Paradies (My Shangri-La beneath the summer moon; I will return again; Sure as the dust that floats high in June; When movin’ through Kashmir), sondern wäre vlt. eher ein trauriges fake-Paradies, in dem man sich in trügerischer Sicherheit wiegen könnte. In der vierten Staffel von Mad Men wird das von Midge, einer ehemaligen mittlerweile drogensüchtigen Bohemia-Gebliebten von Don Draper sehr schön so beschrieben, nachdem er sie gefragt hatte “Why?”: Heroin fühle sich an “like drinking 100 bottles of whiskey while someone licks your tits.”

Während das andere kurze Stück, das das Album abschließt, verheißungsvoller in die Zuknuft schaut. Es ist unsere Version von “El Pueblo Unido, Jamás Será Vencido”, einem Freiheits-/Kampflied aus Chile von Sergio Ortega. Das vereinte Volk wird niemals besiegt werden. Es rekurriert aber auch auf  “The People United Will Never Be Defeated!”, den knapp einstündingen Variationszyklus, den Frederic Rzewski über das Stück von Ortega 1975 komponiert hat. Bei Rzewski verschmelzen auf bahnbrechende Weise Einflüsse aus Free Jazz, Minimal und Folk mit Techniken der Avantgarde, verbinden sich Tonalität, Atonalität und experimentelle, improvisatorische Passagen zu einem ideologischen und kompositorischen Manifest. Sagt Rzewski: “We are all ‘musicians’. We are all ‘creators’. Music is a creative process in which we all can share, and the closer we can come to each other in this process, abandoning esoteric categories and professional elitism, the closer we can all come to the ancient idea of music as a universal language. We are trying to catalyze and sustain a musical process, moving in the direction of unity, towards a sense of communion and closeness among all individuals present. The musician takes on a new function: he is no longer the mythical star, elevated to a sham glory and authority, but rather an unseen worker, using his skill to help others less prepared than he to experience the miracle, to become great artists in a few minutes.”

Ancient Romans

Although the Roman poet and philosopher Lucretius — which is also the title of the first track on Sun Araw’s new, fifth full-length LP Ancient Romans — wrote the epic poem De rerum natura (translated into English as On the Nature of Things), I’m quite sure he never described getting stoned to music. Back then, how far and wide Pythagoras‘ Music of The Spheres concept affected the masses remains a problem for music historians; but it’s safe to conclude that his mathematical and celestial theory, based both on a legendary visit to a blacksmith (where he heard the tone each different sized hammer made when struck) and the order of the stars shining in the night remained unexplored during the Golden Age of Rome. The combination of getting stoned and hearing music must have been relegated to the dark side of town, regarded as both experiment and accident, influenced as much by pagan rituals and a curiosity for creating a rhythm. It certainly wasn’t „natural“ enough to fit into the dactylic hexameter of Lucretius.

With long, Roman-themed titles, getting stoned seems central –even welcomed and invited — to listening to the eight lengthy, drone-guitar songs on Ancient Romans. Zoning out and listening become the same process here: each track seeks attention from its opulent, psychedelic textures, but also prolongs a form of dissociation from the same hypnotic drones that make it saturated with Sun Araw’s special form of musical longevity. On Ancient Romans, Stallones replaces the typical stoner-at-the-beach vibe for the exotic and occultist – think of him playing Pompeii instead of Pink Floyd, and you get the atmosphere created here. And just like how Pink Floyd developed long journeys that were both about searching a landscape (Dark Side of the Moon) and your inner feelings (The Wall) there’s an almost conceptual styling to the order of these songs, or rather, a video game-like level-after-level type of architectural completion, where the sounds of the songs become more dense and complicated one after the other.

Since the exotic sounds of the Middle East and Africa have inspired other Sun Araw releases, it’s easy to hear how he transforms his inspiration – the mysticism and culture of ancient Rome – into one hour and twenty minutes of music. Ancient Romans has Stallones decoding ciphers in the stars, setting up altars at ancient ruins and even screaming to the Gods on tracks Crown Shell and Crete in a washed-out, granulated altered time-zone. As listeners we are free from the distraction of space and consciousness while the record lasts: the omnipresence of these tunes parallels the multifarious stages of awareness. At Delphi becomes an ambient, sonic Polaroid — a mantra for one of the most important religious sanctuaries in ancient Greece. Other tracks, like Fit For Casear, could be used in the 90’s shows Xena, or as background music to an epic Magic The Gathering battle, or even for pondering what the effects Spaghettification has on the body caught in a black hole. The final 15-minute track, Impluvium, explodes in an Afrobeat freakout, complete with MIDI handclaps, muffled vocals, and a noisy, almost-danceable guitar riff.

Like the deserts in Super Mario World, there’s something imitative, teenage and kitschy about Ancient Romans, a kind of naive imitation of what ancient Rome and Greece should sound like based on the pictures of a 3rd-grade history textbook, a National Geographic magazine, or visiting the Italian section of Epcot. Yet these eight songs sound so mature and organic, they escape all condemnations: what we have instead are the electroacoustic soundscapes of the cosmos that continue where Sun Ra and Hawkwind left off: Music As Space Travel, Music As Time Machine. The music of today dubbed „neo-primitive“ needs a wizard like Sun Araw to travel with us back in time, whether it’s fifty years, two hundred years, or two thousand years. If ancient Rome is where you want to go, Ancient Romans is your time machine; your one-way ticket to that magical, distant land.

2011 22 Okt

Ride Rise Roar

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Long Time after the stunning Life In The Bush Of Ghosts, Brian Eno and David Byrne again collaborated and Everything That Happens Will Happen Today (2008) was the result.

There is this Funky Beat, and it sounds like Soul, when Byrne sings like an angry Baptist preacher on „I Feel My Stuff, one of the songs of this album. Make a Bike-Ride, take a Night-Flight into outer areas or along the noisy Highways, where noone can hear you,  and then shout: „You got to hold the peelings in your hands, Baby!“ – like David Byrne does, with this feeling of a white black man:

The fiercest cat
the hottest sun
the meanest dog
and the fastest gun
You got to hold the peelings in your hands, baby …

It’s a little bit
it’s a lot inside
it’s a bigger thing than YOU can hide
I took away the parts that need controlling – shoot!

Long time after the stunning Stop Making Sense, Jonathan Demmes film about a Talking Heads performance, David Byrne again is demonstrating: besides being a singer, songwriter and musician, he also is a brilliant entertainer with  qualities in acting, cabaret, dancing and choreography.

RIDE RISE ROAR is a live concert film that until to now i´ve only seen in parts, but these parts were impressive. Sometimes pleasant anticipation is a greater joy than fullfilled desires are – like imagination is often better than reality. But i´m up to see it in it´s entire package.

 

 Discipline (CD/Dvd-Audio) [DVD-AUDIO]

„Erinnerungen sind gerne trügerisch in Details, und in anderen, noch flüchtigeren Fundstücken einer fernen Zeit, extrem genau.“

Es war eine Zeit, in der die Kakteen interessante Schatten warfen in der leergeräumten Wohnung. Sie hatte gerade so viel mitgenommen, dass der Begriff Leere eine neue Bedeutung in meinem Leben bekam. Die erste Frau, die danach über eine Nacht blieb, hiess Julia und erzählte von ihrem Freund, einem Jazzdrummer, der eine hypochondrische Angst hatte, sein Augenlicht zu verlieren, weil seltsame Glaskörper durch seine Pupillen schwammen. Am Morgen nach der einzigen Nacht mit Julia klingelte der Postbote einmal, und ich lief voller Erwartung zur Tür, erwartete ich doch Post aus Unterlüß, und da war es, das neue Album von Brian Eno, „Music For Films“. In den folgenden Jahren, das heisst, bis heute, hörte ich es ungefähr 1280 mal; eine Werbung von Polydor in der „Sounds“ hatte die Langspielplatte beworben mit der Überschrift „Der Mann im Hintergrund“. Ich legte die Musik auf, und die Leere in meiner Wohnung im 7. Stock gewann eine weitere, diesmal betörende Qualität hinzu. Julia mochte die Musik auch und verliess meine Wohnung und mein Leben.

In der Zeit fuhr ich mit einem Freund öfter ins „Act“ nach Weissenohe (oder so ähnlich), das war ein Wallfahrtsort mitten in der Fränkischen Schweiz, wo mal en passant Ultravox spielten, Kevin Coyne oder Robert Fripp´s The League of Gentlemen. Fripp liess ich mir nicht entgehen. Auf dem Hinweg zu der umgebauten Scheune im Hinterland hörten wir einen Meilenstein, von dem Easy Ed und ich damals schon wussten, dass es ein Meilenstein werden würde, „Colossal Youth“ von den Young Marble Giants. Robert Fripp war gut gelaunt, und seine Wave-Kapelle rockte den alten Kuhstall. Als ein Hörer Robert Fripp bat, doch etwas aus sich herauszugehen und den Schemel zu verlassen, auf dem er sass, entgegnete Fripp: – I have to sit. I´m only a limited guitar player. Süße Duftschwaden füllten den Raum, nicht lange danach machte die Polizei diesen dezenten Drogenumschlagplatz dicht. 

1982 sah ich Herrn Fripp wieder, diesmal in dem alten Nürnberger Stadion, mit 30.000 Festivalbesuchern an meiner Seite, mit Anna und an einem verdammt heissen Sommertag. Mein kleines Woodstock. Anna, meine Geliebte, hatte Lust, das Wochenende in einen französischen Film zu verwandeln. Wir hörten Fripps revitalisierte Ausgabe von King Crimson, mit Adrian Belew, Tony Levin und Bill Bruford. „Discipline“ war kurz zuvor erschienen. Diese heisse Scheibe, liebe Zeitreisende, ist soeben in einer exzellenten Edition neu aufgelegt worden, incl. Videos von damals und einem tollen 5:1-Mix. Obwohl der Fripp-Faktor auf dem Album hoch war, brachte Belew auch etwas vom fiebrigen Geist der Talking Heads ins Spiel. Anna lieferte spät abends, in Nürnberg City, nach Neil Young und seinem Exorzismus namens „Cortez the Killer“, tatsächlich eine großartige Darbietung ab, eine femme fatale wie einem französischen Film entsprungen, in dem dann doch mal mehr gevögelt als geredet wurde. Der Blick von unserm Hotelfenster ging auf den Rathausplatz. Der Blick war weniger Paris und mehr Rüdiger Vogler in dem Wenders-Film, in dem  der gelockte Hippie auf die Altstadt von Husum schaute und die Troggs auf seinem Plattenspieler „Wild Thing“ spielten. Als wir am nächsten Mittag aufbrachen, lief im Auto wieder, ich weiss es noch genau, „Colossal Youth“ von den „Young Marble Giants“. Weil Benzin unbemerkt aus dem Tank lief, schleuderte mein Auto in einer Kurve im Uhrzeigersinn. Drei Monate später waren wir Geschichte. These were the days.

 

Colossal Youth

Also spricht Karl Bruckmaier

Bonnie „Prince“ Billy
„Wolfroy Goes to Town“
(Domino/Drag City, VÖ 21.10.)
Hold the press, the horses, the water: Platte of the year *****

 

Ich meine: let the horses escape into the woods, all of them …

Will Oldham gibt den Leonard Cohen, leider gehen ihm die zauberhaften Melodien ab, das Zartdrängende, die Zersetzung des Zaubers. Sanftes Balladieren ist das hier, mit geschmäcklerischem Kuschelfaktor. Ein Tiefpunkt, eine Platte, die ihre Momente hat, aber nicht viele…

 


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