Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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LaBrassBanda Live – Brass Banda & Schuikalier & Tubissimo @ Sziget 2012

 
 

Erfolgreiche Band, alle meinem Heimatort entstammend.

Auch genannt „Die Giftler“, weil sie sich vor jedem Auftritt  Verschiedenes reinpfeifen …

So, jetzt geb ich Ruhe!

 

 

Hubert von Goisern + Alpinkatzen: „Solide Alm“ / „Goaßbeitl-Bauernbuam“ / „Landlertanz“ (live 90er)

 
 

Beitrag zur lauten und leisen Gaudi der verschiedenen Bundesländer

Am besten voll aufdrehen und bis zum Schluss anhören!

Fasten seat belts!

 

 
 

Und wieder ist ein Stück Nachkriegs-Filmgeschichte von uns gegangen: Karin Baal, eine blonde Berliner-Wedding-Prollo-Schönheit mit immer etwas trotzig-maulig herabgezogenen Mundwinkeln. Allein wegen dieser Kellerkeim-Ausstrahlung fand ich den Titel „Deutsche Antwort auf Brigitte Bardot“ nie ganz passend, Bardot passte in jedes Glamourambiente, Baal war die Schönheit der zerbombten Strassen, Hinterhöfe und miefigen Treppenhäuser, denen sie auch entstammte. Bardot war nie „eine von uns“, Baal schaffte es in jedem Film, uns nahezukommen. Bardot konnte man anbeten, Baal und ihre Aura von Verlorenheit vermittelte uns immer das Gefühl, man könnte sich jederzeit prima zusammen mit ihr am Tresen ausheulen. Als „Halbstarke“ durfte sie Horst Buchholz küssen – was wir ihr damals nie verziehen haben. Man nannte sie auch „die Queen des deutschen Erbsuppenkinos“. Später spielte sie bei Fassbinder, Wenders, Hauff und Margarethe von Trotta. Die Liste der Filme und Fernsehsendungen ist umfangreich, trotz häufiger Einbrüche aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit, aus der sie nie ein Hehl machte. Eine zutiefst ehrliche Frau, die auch ihr Gesicht im Alter behalten wollte.

Die gebürtige Weddingerin starb am 26.11. mit 84 Jahren in ihrem geliebten Berlin. Tschö, Karin und mach et jut! Falls im Himmel gefilmt wird und man einen gefallenen Engel braucht, bist Du genau die Richtige!

 

2024 3 Dez.

R I P

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Man nannte sie „die Muse Buñuels“ und die „letzte Diva des spanischsprachigen Kinos“. Silvia Pinal, die immer aussah, als wäre sie in Schweden und nicht in Mexiko geboren und auch im Spiel eher zurückgenommen, als explosiv agierte und oft den ruhenden und gefestigten Pol in einem chaotischen Geschehen verkörperte, ist am 28.11. im Alter von 93 Jahren verstorben.

Sie erfreute uns mit ihrem Anblick und ihrem tiefgründigen Spiel vor allem in Viridiana, Der Würgeengel und Simón del Desierto von Luis Buñuel und stand bis zuletzt im Rampenlicht, drehte Fernsehserien, wandte sich der Politik zu und war Kongressabgeordnete für eine progressive mexikanische Partei; dazu 4 Ehemänner und 4 Kinder, was auch eine Leistung ist. Fotos aus späteren Zeiten sieht man sich besser nicht an – sie vertraute wohl eher Chirurgenskalpellen als ihrer Fähigkeit in Schönheit zu altern.

Adiòs … und der Himmel hat einen blonden Engel mehr!

 

 
 

 
 

Konklave (USA, GB) 2024 von Edward Berger

nach einem Roman von Robert Harris (2016)

 

Es hätte so schön sein können – und so herrlich boshaft. Ein Film über den Inner Circle der katholischen Kirche, der Ablauf eines Conclaves, der hermetisch abgeschlossenen Versammlung von Kardinälen zur Wahl des neuen Papstes – vom Eintrudeln der Herren aus allen Ecken der Welt – ein bombastischer Ansturm rotgewandeter, vor sich hin welkender Männlichkeit, in die ebenfalls intrauterin anmutende rot ausgekleidete Sixtinische Kapelle und deren Nebenräumlichkeiten – bis am Ende zum weissen Rauch am Petersplatz.

 
 

 
 

 
 

Ansichten einer prätentiösen Innenwelt, das Aussen ausschliessend und damit auch die Kirche mit ihren Ritualen und Denkgebäuden symbolisierend, die längst wie ein herrenloses Boot von allem wegtreibt, was mit realem Leben zu tun hat. Amüsant zu sehen ist, wie es in der Kardinalshorde zu menscheln beginnt, wie sich Ränkespiele, Verfehlungen und Bespitzelungen in das Sacrosanctum einschleichen, sich das Ferngehaltene und seine verpönten Triebregungen und Intrigen unaufhaltsam „besudelnd“ ihren Raum im Innen nehmen. Dass Priester sich sexuell betätigen, ist allerdings jetzt nicht überwältigend neu und ein Bombenanschlag auf ein Fenster der Sixtinischen Kapelle scheint doch reichlich unrealistisch, da hätte es spannendere Eröffnungen gegeben wie z B die intransparenten Geldgeschäfte des Vatikan oder den epidemischen Kindesmissbrauch einfliessen zu lassen – aber ein Priesterkind reisst heutzutage wirklich niemand mehr vom Hocker.

Die endgültige Papstwahl gelingt nach langem Getöse schliesslich doch und endlich platzt die Bombe – but no spoilers – mit der man einen spannenden Schluss hätte hinkriegen können, etwa: wie reagiert die Kirche, wenn sich das, was sie für verteufelt hält, endgültig in ihren Reihen festgesetzt hat? Hätte einer sich auf einen Papstmord eingelassen? Dan Brown wäre hier sicher etwas Fetziges und vor allem Kirchenkritisches eingefallen, wenn man ihn nur hinzugezogen hätte. So bleibt es bei gelungenen Tableaus, gekonnt übermittelter klaustrophobischer Atmosphäre, Choreographien in Rot-Weiss, die zwei Stunden an einem vorbeidonnern, ohne einen gross zu berühren und einem Star wie Isabella Rossellini in einer Miniminirolle, die jede andere auch hingekriegt hätte und ansonsten guten schauspielerischen Leistungen.

Und so endet der Film verfrüht und brav mit einer verlaufenen Schildkröte, die wieder zurück in den Teich darf und vermutlich auch etwas symbolisieren soll, was sich mir nicht so recht erschliessen will (verirrtes Lamm und guter Hirte? Was für eine Metaphorik!!) und einer weissen Rauchfahne, die ihrerseits ein treffendes Symbol für den Film darstellt – und vielleicht auch für die Kirche, von der er erzählt: Guter Anfang, aber leider zunehmende Auflösung in Dampfplauderei.

 

 

 

Die Haut in der ich wohne (Spanien, 2011) von Pedro Almodóvar

 

… die passt einem manchmal verdammt schlecht, diese Pelle, als Topos des Spürens, der Lust, der Abgrenzung, der Verletzung, des Schutzes und der Scham, viel mehr als nur eine Folie von aneinanderhängenden Eiweissverbindungen – und ein Thema mit dem der grosse Alte sicher etwas anzufangen wusste beim Aufwachsen als Schwuler im ländlich – katholischen und faschistischen Spanien, da möchte man sicher öfter aus derselbigen fahren und erhofft sich mit einem Wechsel des Körpers auch einen Wechsel unwillkommener oder gesellschaftlich nicht akzeptierter Bedürfnisse. Aber wer kann schon aus seiner Haut?

Den Körper sukzessive in einer quälenden Prozedur durch Hautverpflanzung stückchenweise zu verändern ist auch das Thema dieses Films; die Protagonisten scheinen in ein seltsames sadomasochistisches Beziehungsgeflecht verwoben in dem libidinöse und aggressive Bestrebungen untrennbar verschmolzen scheinen. Ein Chirurg, der sich mit Hauttransplantationen beschäftigt und eine unzerstörbare Variante unser äusseren Begrenzung erschaffen möchte lebt eine Pygmalion – Phantasie aus und transplantiert einer jungen Frau, die er gefangen hält neue Hautschichten offenbar in dem Bestreben eine Gestalt nach seinen Wünschen zu erschaffen, was seine medizinischen Forschungsvorhaben zusehends transzendiert und noch etwas dunklere Hintergründe erahnen lässt die über das Pygmalion-Narrativ weit hinausgehen.

 

 

 

 

Dass dieses Geschöpf zusehends Penelope Cruz ähnelt, die in diesem Film rätselhafterweise nicht mitwirkt, nimmt man schmunzelnd als netten Sidekick zur Kenntnis und hofft dass die beiden inséparables zu dieser Zeit nicht gerade verzofft waren. Aber die platonischen Lieben sind ja bekanntlich die stabilsten …

Der Chirurg – Robert – schnippelt sich also zunehmend die gewünschte Gefährtin zusammen und gerät in einen sich steigernden Zustand von Obsession, während sein Opfer – Vera – offenbar dem Stockholm-Syndrom erliegt, jedenfalls kommt es zu leidenschaftlichen und einvernehmlich anmutenden Liebesszenen. So weit so gut!

Zunächst macht also Almodóvar business as usual – mit leichter Hand und grosser Spielfreude konstruiert und verflicht der Maestro seine Handlungsstränge, mischt die Karten immer wieder neu, zwingt uns Zeitkapseln zu besteigen, ohne uns zu informieren, in welchem Parallelkosmos wir gleich landen werden (zuletzt genossen in Mala educación und Todos sobre mi madre) und wenn wir am Ende glauben, die Zusammenhänge erfasst zu haben … ätsch! Noch ein Joker im Ärmel, der das Spiel noch einmal wendet und neues Sortieren – das beherrscht keiner besser, da kann sogar ein David Lynch einpacken und Christopher Nolan schafft es zwar, das Publikum zu verwirren, aber nicht, es bei der Stange zu halten und pflegt die fehlende Stringenz kontraproduktiv durch zunehmende Action zu ersetzen. Dafür verzeiht man Almodóvar auch seine Camp-Ästhetik, sein Dauerzugpferd Penelope, die Kopfschmerzen, mit denen wir danach wegen neocortikaler Überanstrengung aus dem Kino taumeln und die Fragezeichen in den Augen derer, denen wir den Film hinterher erklären sollen, obwohl wir ihn selbst nicht verstanden haben, aber gerne so täten, als hätten wir; schliesslich hat der Cineast auch einen Ruf zu verlieren. Aber wenigstens wird’s nie langweilig und mit seinen Filmen ist’s ohnehin wie beim Walzertanzen – sobald man anfängt, auf die Schrittfolgen zu achten, klappt’s nicht mehr, Loslassen und Hingabe ist da eher angesagt.

Was fasziniert an diesem Film ausser dem Herumstolpern in einem bunten Irrgarten in der Hoffnung auf Orientierung und dem Begehren nach einer ebenso kathartischen wie verdaubaren Auflösung? Sicher für’s Erste die Konstruktion einer grandiosen (männlichen?) Omnipotenzphantasie: des Erschaffens eines Objektes, das schlechthin alle Bedürfnisse eines traumatisierten Mannes befriedigt. Robert – so erfahren wir – hat seine Frau verloren, sie trug nach einem Unfall schwere Verbrennungen davon und nahm sich nach einem Blick in den Spiegel das Leben – hier hat seine Kunst versagt, ein Schuldthema. Seine Tochter suizidierte sich nach einer Vergewaltigung.

Das Thema des verlorenen Liebesobjektes beschäftigte A. insbesondere nach dem Tod seiner Mutter 1999, demgemäss ist Sprich mit ihr (2002) ein Film über Trauern und Trauerbewältigung beziehungsweise deren wahnhafte Verleugnung, wenn der Pfleger Benigno mit der im Koma liegenden Alicia eine Beziehung unterhält, als wäre diese im Wachzustand und sie schliesslich schwängert und heiraten will. Auch hier das Bild der aggressiven Bemächtigung eines Körpers zur Abwehr von Trauer und Verlust, ein Ersatz für die verlorene Familie, die Wiedergutmachung zur Tilgung einer Schuld, die omnipotente Phantasie, alles wieder selbst erschaffen zu können, was genommen wurde, ein megalomaner perverser Akt und ein gewaltiges Unternehmen bei dem (Spoiler!) noch hinzukommt, dass es sich bei Vera ursprünglich nicht um eine Frau handelt, sondern um den Vergewaltiger seiner Tochter. Die in dessen Körper eingeschriebene Geschichte, wovon die Vergewaltigung ein Teil ist, wird damit ausgelöscht – ein Akt der Vernichtung und der Rache und durch die real erfolgte Kastration auch der zusätzlichen Demütigung des Täters, eine schlussendliche Täter-Opfer-Umkehr mit der tragischen Variante, dass Robert den Körper, durch den seine Tochter Gewalt erfuhr, zusehends leidenschaftlich begehrt – schräger geht’s eigentlich kaum noch.

In der modernen Privatklinik – einer Weiterentwicklung des Frankenstein-Labors – wird also nicht nur Neues geschaffen und libidinös besetzt, sondern auch alte Traumata gelöscht, bis nichts mehr von ihnen übrig ist, glaubt zumindest der Operateur in seinem Zustand des Konkretismus. Eine derart gebündelte Triebbefriedigung in einem einzigen, wenn auch langwierigen Akt zu erreichen, kann als pervertiertes Kunstwerk gesehen werden. Ein anything-goes, das eine gewisse Art Bewunderung erzeugt – allerdings ist die Rolle mit Antonio Banderas, seines Zeichens Latin Lover und Sympathieträger, etwas ungeschickt besetzt, die aalglatte Kälte und Gefühlsentfremdung will bei ihm nicht so recht in den Zuschauerraum sickern – nicht auszudenken, was ein Christoph Waltz oder Willem Dafoe in dieser Rolle ausgelöst hätte, aber dann würde der Film wohl gänzlich ins Horrorgenre kippen und nicht mehr so gut die Spannung halten zwischen Grusel und einer Studie über die Seelennot eines mad scientist und seinem Modus der Problemlösung.

Am Ende kehrt Vera, die sich befreien konnte, zurück an ihren Arbeitsplatz, einen Kleiderladen (Kleid hier definiert als zweite Haut und Indikator der Geschlechtszugehörigkeit), trifft dort ihre Mutter und ihre Kollegin, sie erkennen sie/ ihn nicht mehr – mit dem männlichen Körper hat man sie auch ihrer Vergangenheit, Zukunft und aller ihrer Beziehungen beraubt.

Müssen wir A. nun des male gaze bezichtigen? Der Pygmalion-Mythos ist zunächst einmal ein zutiefst männliches Thema, das ständige voyeuristische Spähen durch reale und virtuelle Fenster und auf Bildschirme ist es auch, trotzdem scheint A. sich immer auf die Seite der Frauen geschlagen zu haben in seiner Kritik an und Persiflierung von Heteronormativität und dem In-Szene-Setzen von aggressiver und toxischer Inbesitznahme von Frauenkörpern durch den Heteromann, ein tragendes Thema in den meisten seiner Filme – aber er zeigt auch Frauen, die Gefallen daran finden (Fessle mich!); eine zweischneidige Botschaft: Einerseits könnte hier der bekannte Beifall von der falschen Seite kommen, andererseits wird der Frau damit auch ein Recht auf individuelle Perversion und ihr lustvolles Ausleben zugestanden.

Ein female gaze? Ich bin nicht sicher beziehungsweise denke eher, man sollte ebensowenig wie bei der Sexualität eingeschränkt polar-langweilig denken und in male and female gazes unterteilen – vielleicht hat der Pedro einfach einen queer gaze. Oder, noch besser: Ein auf den male gaze gerichteter queer gaze, der deswegen aber nicht gleich zum female gaze wird.

So passts … und bei dieser fortgesetzten drögen Frau-Mann-Einteilung hält man sich künftig am besten überhaupt raus.

 

 
 

Wenn ich früher meine Grossmutter fragte, was es zu essen gäbe, kam regelmässig die Antwort: „Für a Fünferl a Durcheinander!“. Der Satz drängt sich mir heute auf nach Betrachtung von Kevin Costners Mammutprojekt Horizon, in das er als finales Alterswerk angeblich sein gesamtes Vermögen gesteckt hat – der erste Teil ist nach kurzer Kinolaufzeit streambar für 17,- € Blutgeld, drei weitere ebenfalls dreistündige Teile warten noch.

Zunächst und vor allem: Wer heute noch einen Western drehen will, muss verdammt früh aufstehen oder zumindest Coen heissen … dieses Genre ist sowas von auserzählt, mehr geht nicht mehr, da braucht es mehr als nur einen originellen neuen Ansatz, damit man zwischen all den optischen und akustischen Klischees, mit denen wir massenhaft die unschuldige Prärie besudelt haben, noch einen Reitstiefel auf den Boden bekommt. Trotzdem setzte Kevin Costner zum legendären Sprung über den Abgrund an mit seinem Alterswerk, in dem er die ultimative Geschichte der Besiedelung des Westens in epischer Breite erzählen will. Dass ich in meinem Thread über den Western das Fehlen eines solchen Werks (auch bitte unter Einbeziehung der Sicht der indigenen Bevölkerung) bedauert habe, reut mich jetzt schon wieder, so manches bliebe vielleicht doch besser unabgedreht.

Gelobt wird bei diesem Werk vor allem das In-Szene-setzen der Landschaft – wirklich hübsch, aber dafür genügt auch eine einstündige Doku – und eines stimmungsvollen Soundtracks, aber da könnte man auch Karl May gucken. Die Tableaus und Shots sind bewährt – man steht hinter dem indianischen Späher auf einem Felsplateau und späht mit ihm auf ein Tal mit Siedlern, die ihrerseits zu wenig gespäht haben und denen es deshalb gleich an den Kragen gehen wird, während die Adlerfeder im Wind weht – mit Trommelbegleitung oder wahlweise Indioflötengefiepe etc etc und die sich im Fluss waschende Schöne und ihr heimlicher Betrachter fehlen ebenso wenig, wie die resolute Seniorin, die ständig alle mit dem Regenschirm verdrischt und die anrüchige, aber herzensgute Prostituierte im Saloon, die ständig grundlos zetert und ein Baby herumschleppt, von dem man auch nicht weiss, wohin es gehört und das bei allen Strapazen nie weint oder quengelt – und zuletzt der Lone Rider, der Regisseur selbst, der von irgendwoher kommt, irgendwohin will und irgendeine Mission verfolgt, die man dann erst im vierten Teil am Ende hoffentlich erfährt, was in approximativ 10 Jahren sein dürfte, wobei Costner anscheinend ganz zwanglos davon ausgeht, dass man den Inhalt der vorherigen Teile dann noch weiss bzw nochmal guckt, was ich für eine gewaltige Selbstüberschätzung halte. Dazwischen hübsche Frauen – trotz langem Planwagenaufenthalt in gepflegtem, fleckenlosem Outfit und wohlfrisiert und eine hinreissend schöne indigene Hauptdarstellerin – also alles an Realitätsfremdheit, was einem beim klassischen Western schon immer geärgert hat. Wenigstens spielt keiner Mundharmonika.

 
 

                  

 

 
 

Zum Plot ist zu sagen, dass den offenbar bisher keiner verstanden hat, vermutlich auch die nicht, die die grossartige Fotografie loben, aber über die Handlung diskretes Schweigen breiten. Bisher konnte nach langem Netzgestöber keiner mir erklären, wer hier wo, warum und mit wem so verfährt, wie er es tut. Die Personen sind unverortbar, ständig erscheinen neue Figuren und sind auch schnell wieder tot, es werden unverbundene Handlungsstränge angelegt und nicht zu Ende geführt, oder – wie gesagt – erst in zehn Jahren, immerhin sind die Drehbücher schon geschrieben. Sogar Wikipedia beschränkt sich im Gegensatz zu sonst in der Handlungbeschreibung auf drei Zeilen, die darauf hinweisen dass es sich halt um die Besiedelung des Westens handelt. Haben wir allerdings auch schon gemerkt. So bleibt ein verwirrendes Epos, das am Ende auch – noch verwirrender – übergangslos in eine Trailershow als Cliffhanger übergeht, die auf den zweiten Teil hinweisen soll und noch mehr Hirnkonfusion anrichtet; plötzlich findet man sich in einer Skalpjagd wieder und weiss erneut nicht, wer mit wem und gegen wen und warum überhaupt, aber vielleicht ist Skalpjagd ja ein l’art pour l’art-Zeitvertreib. Appetitlich ist das nicht, also Minuspunkt für die Indianer.

So bleibt eine Aneinanderreihung von Archetypen und Versatzstücken des Genres, ohne originelles eigenes Konzept, ohne neuen Ansatz, ohne die ironischen Brechungen und absurden Volten der Coens, ohne die geniale Art des Feierns von Klischees eines Tarantino, oder wenigstens den hinterkünftigen Witz eines George Roy Hill, der immerhin mit mit Butch Cassidy und Der Clou eine neue Ära eingeleitet hat, neben Sam Peckinpah und seinem guten Händchen für interpersonelle Konflikte und Dramen (Pat Garrett …).

Ja, es ging gut weiter mit dem Western mit No country for old men, das mit allen Klischees bricht, das passt in die Gegenwart bis … ja bis Costner zum Sprung über den Abgrund ansetzte und jetzt sehen wir, wie das Pferd mit den Vorderbeinen am gegenseitigen Rand ankommt und verzweifelt versucht mit den Hufen irgendeinen Halt zu finden. Was für ein Cliffhanger … Ob’s klappt erfahren wir dann im zweiten Teil in ein paar Jahren, bis dahin sind Pferd und Reiter ohnehin in den Gewässern der Lethe versunken.

Aber nachdem der Film ja gute Absichten hat und auch eine Stimme für die Indigenen sein möchte, gibt’s vermutlich eher eine schweineteure Oscar-Nacht (genannt die Nacht der Rührmaschinen) in einer schweineteuren Location, in der ein schweineteurer Preis überreicht wird und das Publikum in schweineteuren Fummeln mit feuchten Augen Standing Ovations entbietet – (die kurzlebige westliche Event-Rührung, ohne weitere Folgen abheilend und die postmoderne Art Trauer und Teilnahme zu zeigen), und sich danach am schweineteuren Büffet wiedertrifft – und der Hochbepreiste zieht sich in seine X-Millionenvilla in den Hills zurück, um den Gewinn in das nächste Millionenprojekt zu stecken – die Hauptdarsteller desgleichen; alles schon geübt. Und die Indigenen in ihren verelendeten Reservaten sehen natürlich keinen Cent davon, die müssen nur für die Rührung herhalten. Schon bei Killers of the Flower Moon – eine flammende Anklage gegen kolonialistische Ausbeutung – gab’s so eine verheulte Oscarnacht und man hat auch nicht vernommen, dass Scorsese auch nur einen Cent herausgerückt hätte für die, deren tragisches Schicksal gerade beheult wurde und ihm so wahnsinnig am Herzen liegt.

Auch eine Form von kultureller postkolonialistischer Ausbeutung und eine besonders scheinheilige Art davon.

 

 

Vom Suchen und Finden der Liebe (D, 2004) von Helmut Dietl …

 

… und von deren Verlieren – müsste es noch heissen, denn damit beschäftigt sich der Regisseur (in süddeutschen Landen wohlbekannt durch BR – Serien wie Monaco Franze und  Münchner Gschichten), wohl unter dem Eindruck der Trennung von seiner Entdeckung Veronica Ferres, mit der er dann als erstes  Schtonk und dann Rossini drehte und die ihm nach neun Jahren davonlief woran er lange knabberte bis er den Komplementärtypus dazu fand ( und damit Tucholskys weisen Worten folgte „…man möchte immer eine grosse Lange, und dann bekommt man eine kleine Dicke…cèst la vie!“) und ehelichte und bis zu seinem Ende wohlverdiente Ruhe im Karton hatte. Also auch eine Beziehungsaufarbeitung, das gefällt uns professionellen Haubentauchern im Meer der Gefühle ja immer.

Neben einigen Knallern und Fontänen drehte er auch einige Rohrkrepierer wie sein grosses Alterswerk  Zettl, wohl eine Anspielung auf Arno Schmidts Alterswerk Zettels Traum, wiederum eine Anspielung auf eine Figur aus dem Sommernachtstraum; und im Gegensatz zu Schmidt und Shakespeare hat er sich bei der Flut von Anspielungen und Träumereien gewaltig verzettlt und letztlich konnte trotz Starbesetzung mit diesem Film niemand mehr viel anfangen; die Münchner Schickeria lässt sich eben nicht so leicht nach Berlin verpflanzen. Und bei den sogenannten Alterswerken lässt sich ja meistens eine verstärkte Portion Grössenwahn finden wie uns Kevin Costner mit Horizon gerade wieder bewies. Gott möge mich bewahren irgendwann ein Alterswerk verfassen zu wollen, ich wäre gern alles Mögliche aber nicht peinlich.

Das  Suchen und Finden der Liebe ist Dietls am wenigsten bekannter Film und floppte in den Kinos, was in der Regel ein Zeichen ist dass man ihn sich – vor allem wenn es in München passiert – unbedingt ansehen sollte, wie der ortskundige Cineast weiss. Der einzige Film übrigens, den ich mir zweimal unmittelbar hintereinander angeguckt habe, das ist auch schon eine Art Diplom.

Der Plot ist eigentlich ein trauriger und im Grunde banal: Ein Liebespaar schafft es  – bereits nach dem lautlosen Donnerschlag der ersten Begegnung – immer wieder aufs neue seine Beziehung zu vergeigen und Trennung und Kummer herbeizuführen. Dabei wird der Orpheus-verliert-Eurydike-Mythos mit leichter Hand eingewebt – eine Geschichte über eine Inbesitznahme durch den Blick. Als Verstorbene ist Eurydike Eigentum von Hades und Persephone, Orpheus bekommt sie zurück wenn er zeigt dass er sich beherrschen kann und Hades bestimmmen lässt ab wann sie wieder ihm gehört.

Das Ganze ähnelt der europäischen Sitte bei welcher der Brautvater die Tochter zum Altar geleitet und dort dem Bräutigam übergibt,und ich hatte schon immer den Verdacht dass das ganze nur eingeführt wurde damit die Frau nicht zwischen zwei Gefangenschaften noch schnell ausbüchsen kann.

However…Orpheus besteht den Test nicht – ein verfrühter Blick. Hier in der pfiffigen Variante dass Orpheus beim Verlassen des Hades, wo er durch Suizid gelandet ist, hinter Eurydike herläuft, die ihn wiederhaben will und sie diejenige ist die sich bis zum gateway nicht umdrehen darf, aber der Herr sie dann mit uncharmanten Bemerkungen über ihren Hintern letztlich doch dazu bringt und damit die endgültige Trennung herbeiführt.

 

 

 

Der zwiegeschlechtliche und pansexuelle Hermes, seines Zeichens Götterbote und Gestaltwandler im Goldlamé-Fummel, ist hocherfreut, ihn wieder mit in den Hades nehmen zu dürfen und weitere Verführungsversuche zu starten ( ja, ist nicht woke, ich weiss, aber vor 20 Jahren ging das noch was heute Schreikrämpfe zeitigt, da assen wir ja auch noch Negerküsse ohne Gewissensqualen) – Heino Ferch hier mal nicht tiefernsten pokerfacigen Kommissarenmief verbreitend sondern flott gegen den Strich besetzt und offensichtlich froh über zu betretendes darstellerisches Neuland in dem er sogar mal grinsen darf. Daneben als Buffopärchen Uwe Ochsenknecht und Anke Engelke als terminüberflutetes Workoholikerpaar, das sein spärliches Sexualleben nur noch mit Hilfe des Terminkalenders regeln kann, bis es schliesslich gar nichts mehr gibt was noch zu regeln wäre.

Die Stars kamen wenn Dietl rief, winkte ihnen doch ein kurzer Ausbruch aus manchmal angeranzten Rollenklischees, die man ihnen sonst zum gefälligen Herunternudeln in ausgefahrenen Gleisen anvertraute. Ochsenknecht reist sodann als eine Art moderner Odysseus nach Griechenland – wo sich alle Protagonisten treffen, weil da logischerweise der Eingang zum Hades lokalisiert ist. Er strandet bei der Hirtin Kalypso, züchtet fortan Schafe und lernt etwas über Sexualleben ohne Terminkalender.

Das ist alles frischfröhlich witzig erzählt und eine Erholung für den deutschsprachigen Konsumenten von vorhersehbaren Komödien, ihren Knallchargen von gutaussehenden aber charmant-trotteligen Helden, toughen Emanzen oder emanzenwerdenwollenden Damen, gschnappigen Kindern und Kreationen von neuen Tiergattungen wie Hasen ohne Ohren und Küken mit deren zwei sowie anderen Stereotypen und cineastischen Perseverationen – und vor allem den sich  dauernd wiederholenden Mustern:  Von Exgeliebten, die dem Charmebolzen das gemeinsame Kind vor die Tür stellen, von dem er im übrigen nichts weiss und die jetzt Karriere machen wollen oder Hausfrauen, die mit dem Ehemann die Rollen tauschen müssen, aufgrund weiblicher Intuition aber sonst ohne Ahnung dessen Konzern erfolgreich leiten während er sich zuhause beim Wickeln dämlich anstellt weil er ja schliesslich ein Mann ist – und andere Varianten die langsam zu kulturellen Codes werden … wat hamwa jelacht!

          Dass sich jeder dämlich anstellt wenn er etwas zum erstenmal macht ist natürlich kein Thema – das    ist wieder so ein deutscher Männer-Bashing-Humor, der Frauen wohltun soll während die zuschauenden Herren gequält mitwiehern damit man sie nicht für hoffnungslose Machos hält.Das schafft auch keinen Frieden zwischen den Geschlechtern und fährt gutgemeinte feministische Ideen gleich wieder gegen die Wand.

Und die Konsumentin macht sich nun ein paar warme Gedanken, was wohl eine gute Komödie ausmacht und landet zunächst bei Altmeister Shakespeare … wo denn auch sonst wenn’s um Komödien geht? Der liess nie einen Zweifel daran, dass ein Spiel ein Spiel ist und in der Schlussszene sorgte er dafür, dass der finale Schauspieler oder der Narr das Verweilen in Phantasieräumen beendete und wieder für die nötige Realitätsanbindung sorgte. Da schüttelte man sich dann immer ein bisschen – und der Regen, er regnet jeglichen Tag, wir wissen’s schon, haben’s nur kurz mal vergessen. Aber wie schön war es vergessen zu dürfen…..

Das Liebespaar (wenn sie nicht als mythologische Figuren agieren heissen sie Mimi und Venus) hat sich verloren. Mimi bekommt einen mehrstündigen Ausgang aus dem Hades, wo ihn vermutlich Hermes noch immer mit Beschlag belegt, und trifft Venus – anmutig ergraut – bei einem ihrer Konzerte in dem sie von ihm komponierte Lieder singt: Wohin geht die Liebe wenn sie geht? – eine durchaus berechtigte Frage, denn nach den Gesetzen der Naturwissenschaft kann ja schlechthin nichts so einfach verschwinden, sondern eher seine Gestalt wandeln oder in irgendeiner gemütlichen Entropie enden. Sie erkennen sich, lassen es sich aber nicht anmerken und gehen nach kurzem Smalltalk wieder auseinander – sie haben erkannt, dass von der Liebe nichts mehr geblieben ist als eine milde Sympathie und es nichts mehr aufzukochen gibt. Auch manchem Ende wohnt ein Zauber inne…..

 

 

So weit, so gut – nur: Wie bekommt man diese seltsam schwebende, beschwingte Atmosphäre hin und hält sie während des gesamten Plots durch selbst dann, wenn der Humor platt zu werden droht und es dann doch nicht wird? Wie vereinbart man die Leichtigkeit des Erzählens mit der Schwere einer schiefgelaufenen Liebe, bei Gott kein beschwingtes Thema? Eine Männerstimme kommentiert aus dem Off, schafft eine leise ironische Brechung und einen Rahmen, der die Distanz hält. Sie gehört übrigens weiland Elmar Wepper.

By the way bin ich auch ein Fan von Billy Wilder und seinem knallenden Wortwitz, konnte mit der nouvelle vague zuerst nicht so wahnsinnig viel anfangen (inzwischen schon besser) obwohl ich froh war dass sich etwas veränderte – die hatte auch diese leise eingewobene melancholische Textur im Gewebe und die sanfte Verzweiflung die mich so anzog – keine grossen Stories, keine Dramen sondern die Komik und Tragik des ganz Alltäglichen subtil herausgearbeitet und auf leisen Sohlen serviert – alles immer nur halb so schön wie man’s gern hätte – aber auch gottlob nur halb so wild, alles nur Maya, wie die Hindus sagen würden, ein graues Wölkchen, das auch wieder vorbeizieht.

Das Halten dieser Spannung und Ausbalancieren zwischen den Polen ist hier die Kunst und das Sichwiederfinden in der Durchschnittlichkeit und Uneindeutigkeit des Lebens und der Alltäglichkeit des Scheiterns – nicht der grandiosen Beziehungsweltuntergänge, sondern all der kleinen Nadelstiche und subliminalen Gemeinheiten, die das Leben uns und wir uns untereinander zufügen und die eine ganz eigene Komik entwickeln unter einem distanziert, aber wohlwollend betrachtenden Auge. Man muss Menschen mögen wenn man dergleichen dreht, andernfalls gelangt man schnell ins Fassbindern. Ein „Ja-so-ist-der-Mensch-halt-in-seiner-Kleinheit“ – mir auch schon passiert. Mach was dran …

          Eine Erfahrung mit diesem Film ist es auch dass er besser bei betagteren Zuschauern ankam als bei

jüngeren – für mich eher ein Indiz dass die romantisch-melancholische Komödie eher  im Aussterben begriffen ist und andere Formen der Komik in späteren Generationen besser greifen, auch ohne das Verwobensein mit einem antiken Mythos hat der Film etwas Altertümliches, was sich auch in der Art der Darstellung wiederspiegelt – stark akzentuiertes Ausdrücken des Gefühlslebens, eine kleine Anleihe beim Stummfilm. Und auch etwas „Französisches“ ; wer einen Film sehen möchte in dem es nur und ausschliesslich um eine Liebesbeziehung geht muss bei den Franzosen nachgraben, die können immer noch nicht damit aufhören.

Aber eine Erholung vom ganzen Blockbusterkrach mit seinen rauschenden Showdowns, die an einem vorbeidonnern, oft so wenig mit einem selbst zu tun haben und eher erschlagen als auf eine andere Schwingungsfrequenz bringen.

Und so ist alles im Fluss, auf dem die nächste Tragödie dann … auch wieder vorbeischwimmt.

 

 

 

Natürlich war der klassische Western ausschliesslich eine Männerwelt und natürlich war sein Bezug zur Realität der Besiedelung des Westens etwas geschwächt. Natürlich war sein Frauenbild in der Regel einfach strukturiert und zwiefach gespalten in herzensgut und verrucht und dieses Geschlecht diente allein der Ornamentik – schmückendes Beiwerk und romantisierendes Element am Rande des Hauptthemas: Männergesellschaften und ihre interpersonellen Spannungen. Frauen waren nicht wirklich mit dem Geschehen verbunden und ohne Funktion im Handlungsverlauf, dafür aber immer zweckmässig gewandet zum Überleben auf staubigen Kampfplätzen, in denen es immer um Leben und Tod ging. Manchmal ähnelten sie mit ihren Reifröcken den Puppen, die früher auf den rückwärtigen Ablagen in Autos sassen und eine Rolle Toilettenpapier tarnten. Charles Bronson hätte Henry Fonda auch ohne die Mitwirkung der Wuchtbrumme Claudia Cardinale zur Strecke gebracht, aber so ergaben sich doch einige prickelnde Momente im ansonsten sehr protrahierten Verlauf des Filmes und die Hoffnungsspannung auf ein glückliches pairing-end blieb bis zum Schluss, was uns aber Sergio Leone dann gottlob doch ersparte – es hätte den Mythos vom Lone Rider und damit den ganzen Film zusammengehauen, der letztlich nur davon lebte. Schmückendes Beiwerk auf Männerspielwiesen.

 

 

                 

 

 

Der berühmte ikonische Blick von hinten durch die Beine eines der beiden Duellanten auf den Gegner – also aus einer voyeuristischen Beobachterposition auf ein dyadisches Geschehen, nämlich ein Pistolenduell, erinnert an die Blickhöhe eines Kindes, das sich hinter dem Vater versteckt und die Vernichtung des Feindes voyeuristisch aus einer sicheren Position betrachtet. Womit wir bereits auf einer spielerischen Ebene gelandet wären in einer Szenerie, die zunächst alles andere als spielerisch war. Der Exodus der Europäer, bedingt durch Umstrukturierungen in den Heimatländern von agrarischen und feudalherrschaftlichen Strukturen hin zu frühkapitalistischen Produktionsformen erzeugte Unfreiheiten, wirtschaftliche Veränderungen, existenzielle Bedrohungen und eine Verunsicherung der bisherigen Identität, so dass sich viele Hoffnungen auf einen radikalen Ortswechsel in ein grosses Land richteten, das geradezu aufforderte, es in Besitz zu nehmen und seine Ressourcen zu nutzen. Frühkapitalistische Strukturen replizierten sich dann rasch erneut, sobald Grossgrundbesitzer und betuchte „Viehbarone“ ganze Kleinstädte vereinnahmten, indem sie mittels ihrer finanziellen Möglichkeiten Einfluss auf deren bescheidene Kommunalpolitik nahmen, die Gemeindevorsteher, den Friedensrichter und den Marshall schmierten, immer einen Reitertrupp von bodyguards zu ihrem Schutz im Gefolge hatten falls ungeschriebene Gesetze von Newcomern nicht eingehalten wurden und so das alte feudalherrschaftliche Staatsprinzip der alten Welt erfolgreich weiterführten. Der Mensch entkommt sich nicht, egal wie weit er übers Meer schippert.

Die Besiedelung des Westens und das Leben der Farmer, Züchter und Cowboys dürfte bei weitem nicht so aufregend gewesen sein, wie der Western es uns glaubhaft machen will, vielmehr scheint sich hier mit einer Art lautlosem Donnerschlag ein Phantasieraum aufgetan zu haben, in dem die männlich dominierte Filmwelt Hollywoods einen gigantischen Spielplatz für Verfolgungsabenteuer, latente Homoerotik und sonstige Testosteronrituale entdeckte und für sich mit Beschlag belegte, in einer Art sekundärer Kolonisation – ein virtueller Westen, der mit der realen Gegend nicht mehr viel zu tun hatte. Es errichtete die Welt eines permanenten Räuber-und-Gendarm-Spiels in einer riesigen Phantasieblase und eines beständigen Aufeinanderprallens von Outlaws und den Hütern von Recht und Ordnung mit unterschiedlichen Varianten der Sympathielenkung. Der charmante Gauner Billy the Kid hatte die Zuschauergunst eher auf seiner Seite als der furztrockene und illoyale Pat Garrett, dessen Überleben uns eher wurscht gewesen wäre. Der lässige Soundtrack von Bob Dylan brachte dann freilich Tracks für die Ewigkeit.

 

 

 

 

Ein riesiges und gewissermassen jungfräuliches Land mit reichlich verborgenen Schätzen musste erobert und den ursprünglichen Besitzern sukzessive abgejagt werden, eine stimulierende Phantasie, die die ödipale Enttäuschung des Mannes, den Körper der Mutter nicht vollständig zu besitzen, sondern zeitweise an den Vater abtreten zu müssen, zu kompensieren vermag – nicht selten werden kindliche Konflikte mit den Eltern später auf eine politische Ebene gezerrt und dort rächend oder kompensatorisch ausagiert. Jedenfalls wurden ab dem ersten grossen Western Der grosse Eisenbahnraub (1903), der bereits erste Massstäbe in Aufbau, Schnitt und Kameraführung setzte, der Markt zusehends mit kriegspielenden Jungs geflutet. Dabei stehen die Motive wahlweise der Unbezogenheit im Vordergrund (mehr oder weniger zielloses Lonely-Wulf– Herumstreunen im Gelände mit all seinen wohlweislich nicht dargestellten Mühseligkeiten, das man uns als grandiose Freiheit verkaufte) oder wahlweise die intensive Bezogenheit von Mann zu Mann oder von Männergruppe zu Männergruppe in Form von monate- bis jahrelangem Suchen und Verfolgen des irgendwie definierten Gegners (oder auch gerne aufgrund eines Rachemotivs) im Gelände als Lebensinhalt, voyeuristisches Dauerbeobachten, Spurenlesen und Anschleichen bis schliesslich zum showdown, bei dem man möglichst breitbeinig voreinanderstand, die Intimität eines langen und meist finalen Blickkontaktes genoss und zuletzt blankzog.

 

 

          

 

 

Auch der ansonsten erfrischendere und neu angelegte Spaghetti – oder später der Neowestern verzichtete keineswegs auf diese Versatzstücke, auch wenn er sie zeitweise gerne ironisch zitierte. Hier kippt der Abenteuerspielplatz in homoerotisch anmutende tableaus von sich umkreisenden Paaren, die in intensivem Blickaustausch miteinander verschmelzen um jede Regung des anderen schon im Ansatz zu bemerken – der Griff zum Colt zeige sich vorher schon im Auge des Duellanten an –  so der Mythos – und ihn dann aufs Kreuz zu legen. Das war nicht nur das Drohstarren, das wir aus der Tierwelt kennen, sondern ein intensives Sicheinfühlen – man muss geradezu in das Auge des anderen hineinkriechen, um den entscheidenden Zeitvorteil zu bekommen. Momente von Intimität und geradezu penetrierender Nähe als Kontrast zu den ständigen Distanzvergrösserungen und -verkleinerungen beim Herumreiten, Flüchten und Verfolgen. Da ist freilich kein Bedarf mehr für Frauen. Und als Charles Bronson seine lebenslange Mission beendet und Henry Fonda erledigt hatte, widmete er sich wieder dem „Jeden-Tag-Leben-mit-dem-Tod „, wie Cheyenne zitierte, den er dann auch noch palliativ wegen eines Lebersteckschusses erschiessen musste. Besonders vernünftig und lebensfreundlich klingt das alles nicht – aber – hach! … wie romantisch und wohltuend traurig …

Stories of love and hate bei den Weissen – welche Rolle wurde nun den Indigenen auf diesen Spielplätzen zugewiesen? Zunächst die der irdischen Aliens samt Auftreten in Horden gleichgeschalteter gesichtsloser Individuen, die die Siedlungen der Weissen überfielen und grausame Blutbäder anrichteten – flott dargestellt in einer nassforschen Umkehr der eigentlichen Landbesitzverhältnisse. Während die Aliens das personifizierte Fremde repräsentierten, eigneten sich die Native Americans mit ihrer Andersgläubigkeit, ihren Ritualen, Gesängen und Tänzen eher zur Verkörperung des Magischen und Irrationalen und mit den langen Haaren, ihrer überwiegend bunten Kleidung samt Schmuckzubehör auch zum Prinzip des Weiblichen, dem man ja ebenso Irrationalität und Bedrohung einer für wohlgeordnet gehaltenen Männerwelt zuschrieb. Nun ist das Weibliche für den Mann nicht nur irrational-gefährlich, sondern auch anziehend und faszinierend, demzufolge konnten sich die Macher des Westerngenres in ihrer männlichen Ambivalenz nie so ganz darüber einigen, wie sie sich zu den Natives stellen sollten – edle Wilde oder grausame Krieger und Marterpfahl-User wechselten sich in buntem Reigen und sorgfältiger Spaltung ab – bis zu den Jahren nach dem 2. Weltkrieg, als der Rassenwahn der Nazis doch so manchen dazu brachte, seine Position zum Andersartigen und Andersabstammenden zu überdenken. Vielleicht auch zum Weiblichen … Der rassistische Charakter des Bildes der Indigenen zeigte sich auch in der Besetzung von Indianerrollen mit weissen Schauspielern, die ihre Charaktere nicht selten parodistisch überzeichneten, heute auch „kulturelle Aneignung“ genannt. Dieses „Redfacing“ hielt sich sehr lange im Genre.

 

 

         

 

 

Erst in den 60er-Jahren begann man die Indianer sympathischer zu sehen, wohl auch unter der Weltsicht der Hippies, die sich ihnen verbunden fühlten und gern ihr Outfit kopierten – als kontemplative und naturverbundene Gegenkultur zum zunehmend brutaler werdenden american way of life. Und die Frauen zogen die Korsetts aus (oder behielten sie als humoriges Zitat über den Reithosen an), setzten die Häubchen ab, griffen zum Gewehr und schossen besser als jeder Mann … okay … jede Bewegung kippt erstmal in ihr Gegenteil; das kommt davon, dass man viel Anlauf nehmen muss beim Durchstarten, das war nicht nur beim Feminismus so.

Auf den grossen postkolonialistischen Western, der ohne Idealisierung und Romantisierung die Besiedlung aus der Sicht der Indigenen schildert, nett mit dem Wolf tanzt und auf jegliches John-Ford-und Karl-May-Klischee einmal verzichtet, warten wir noch.

Aber wie wir wissen: Irgendeiner wartet immer.

 

 

  

 
 
 

Was macht ein Geisteswissenschaftler auf dem Oktoberfest und wenn ja wieviel und wie lange?

… wenn er (oder sie) Vegetarier ist, der kein Bier mag, keine Zuckerwatte, keine kandierten Äpfel, keinen Lärm und keine Menschenaufläufe und kein nach Schuhsohle schmeckendes Lebkuchenherz um den Hals bammeln. Höchstens gebrannte Mandeln.

Frauentechnisch macht das Fest ja was her … der Dirndlwahnsinn ist durchaus etwas fürs Auge und die Flechtfrisuren der Mädels dürften soviel Zeit in Anspruch nehmen wie das Aufbrezeln früherer Rokoko-Perücken – und einfach mal was anderes als Nickis, Hoodies, Turnschuhe und tief unterm Arschgeweih sitzende Jeans sowie zu Stricken gedrehte Haare, deren Enden in die Luft stehen, sozusagen Gamsbart urban – aber hier jetzt ein Fest der schönen Mädchen. Aber dies soll hier ja keine Kolumne werden, sondern eine Abhandlung über Magie und Dämonisches.

Man könnte da erzählen über magic moments im Kindesalter, wenn man abends durchs Fenster gegen Osten blickte und der rot gefärbte Himmel zeigte – nein, nicht dass der Krieg wieder begonnen hatte – sondern das Oktoberfest, vulgo genannt „die Wiesn“, weil es auf einer selbigen stattfindet. Und man am Samstagmittag um 12.00 beim Anzapfen den Böllerwumms erst durchs Radio hörte und mit kurzer Verzögerung durchs offene Fenster dann den gleichen nochmal. Rätsel über Rätsel und Magie für Kinderohren, was nur schlichte Physik war – damals wurde der Doppelwumms erfunden. Hat heute alles etwas an Glanz verloren angesichts von Trommelfellgefährdung, horrender Preise und Bierleichen am Hügel zu Füssen der Bavaria, vulgo auch der Kotzhügel genannt.

Nein, anziehend für mich sind auf der Wiesn die Monster in ihrer aztekischen Buntheit und Grausigkeit und ihre mimischen und gestischen Bedrohungen, der grinsende Teufel, der zähnefletschende Tod und ihre ganzen Handlanger, Vasallen und Folterknechte, kurz: Das Zitieren des Mittelalters; das Dämonische, das erschreckt und in seiner Überspitzung gleichzeitig ins Lächerliche kippt. Gebilde sadistischer Phantasien – jetzt gezeigt als das, was sie sind – Pappkameraden zum Kindererschrecken, über die Maßen bedrohlich in Zeiten, als Teufel ausgetrieben wurden und Scheiterhaufen brannten, Menschen mit körperlichen Besonderheiten zur Schau gestellt und Hinrichtungen zur Abschreckung öffentlich durchgeführt wurden.

 
 
 

                    

 
 
 

Alles nur noch ein Spiel … wie beruhigend. Das Kind jeglichen Alters des Zeitalters der Aufklärung, der Moderne und Postmoderne betrachtet das ganze Grauen mit leisem Nervenkitzel und grosser Erleichterung – endlich ist der Spiess umgedreht und Tod und Teufel sehen ganz schön lächerlich aus als Parodien und Zitate ihrer selbst. Wie gut, in der Neuzeit zu leben und die dunklen Zeiten der Menschheit unwiderruflich vorbei zu wissen.

Beim Perchtenlauf auf den Christkindlmärkten in Berchtesgaden werden allerdings durchaus noch Kinder von gehörnten und kettenrasselnden Geschöpfen geschockt, aber das sind Kollateralschäden, deshalb wird schönes altes bayrisches Brauchtum noch lange nicht aufgegeben. Und auch nicht auf 22.00 vertagt – nö, das gehört in die Dämmerstunde, wenn auch der Nikolaus kommt, den die Kinder natürlich sehen wollen – in Personalunion mit dem gruseligen Krampus, aber der tut nichts und will nur spielen, das müssen die Kinder nur erstmal kapieren. Brauchtumspflege halt … – nur Gegendämonen können die Dämonen der Rauhnächte austreiben, das ist quasi ein unverzichtbares Ritual hier in den Bergen. Wer weiss denn schon genau, was hier alles nächtens noch umgeht. Die Naturwissenschaftler können auch nicht alles wissen.

 
 
 

 
 
 

Nein, in einer säkularisierten Welt braucht man derlei Archaik nicht mehr zu fürchten. Wie schön, dass wir sicher sind.

Als ich klein war, gabs übrigens die Zuban-Schau auf dem Oktoberfest (eine Zigarettenmarke) – das Zurschaustellen von Fremd- und Andersartigem: Schwarze Menschen mit Speeren und Baströckchen zeigten traditionelle Tänze, Hulamädchen liessen die Hüften kreisen, holten dann einen Kerl aus dem Zuschauerraum, dass er es ihnen gleichtat, der dann geehrt, erfreut und etwas verschämt mithüpfte. Indianer zeigten Kriegsbemalung und Marterpfähle. Ein Menschenzoo in einem Land, an dessen Grenzen bereits das Untermenschentum begann, zumindest noch in vielen Köpfen.

 
 
 

                     

 
 
 

Dann die Magie und das Glück des ersten Luftballons, vorsorglich von der Oma an meinem Handgelenk festgeknüpft und andächtig bestaunt, rot und mit Nase und einem freundlichen Grinsen. Und dann ein besoffener junger Mann, der ihm mit der brennenden Kippe das Lebenslicht ausblies – damals durchaus gebräuchlicher Sport von Angetrunkenen, Sadismus gegenüber Kindern.

 
 

… die Horde vor einer Schlägerei flüchtender Wiesenbesucher die mich von meiner Mutter losrissen …

…der junge Mann der hinterher am Strassenrand sass und aus einer Schnittwunde blutete und dem niemand half …

… Männergewalt …

… meine Panikattacken als Kleinkind als mein Vater mit mir in ein allzu wildes Fahrgeschäft stieg in dem ich mich nicht auf den Füssen halten konnte …

… der mühsame Heimweg zu Fuss nach dem Verzehr einer Hühnersuppe, in der offensichtlich Salmonellen um die Wette schwammen und eine Begleitung, die befürchtete ich würde in die Strassenbahn reiern … Kinder sollen keine Umstände machen, also ein einstündiger Fussmarsch immer am Rande des kaltschweissigen Kollabierens … aber wenigstens kein Ärger mit Mitmenschen …

… die Schaustellerjungs, die einen am Ende der Tobogganrutsche auffingen damit man sicher auf die Beine kam und einem dabei unter den Rock grabschten …

… irgendwelche Vorrichtungen in Fahrgeschäften, die einem plötzlich den Rock hochbliesen – beschämt vor einem wiehernden Publikum … gottlob gab es bald Blue Jeans und Frau lernte besser nicht mehr mit Rock herumzulaufen. Schade um den neuen Petticoat!

 
 

Heute gibt es einen Safe Space auf der Festwiese, eine Zuflucht für Frauen und Mädchen in Bedrängnis mit Mitarbeiterinnen, die notfalls auch die Frau nach Hause bringen oder Taxigeld vorstrecken – die haben reichlich zu tun. Ist das jetzt Fortschritt oder Rückschritt dergleichen zu brauchen? Der Kotzhügel, auf dem in warmen Nächten auch die Räusche ausgeschlafen werden wird von Kennern der Szene auch mountain of rape genannt. Ein bayrischer Comedian meditierte einmal über die Sitte, Kinder nach dem Ort ihrer Zeugung zu benamsen – Diego oder Paris oder Savannah – und meinte, ein grösserer Teil der Bayern müsste dann wohl „Hinterm Bierzelt“ heissen; der Prozentsatz einvernehmlicher Sexualität ist dabei leider nicht erfasst.

Auf dem Oktoberfest 2024 wurden insgesamt über 700 Straftaten angezeigt, überwiegend Körperverletzungen, ca die Hälfte davon Sexualdelikte, vor allem das immer beliebter werdende upskirting, Nachfolger der alten Sitte, in den Damentoiletten auf Augenhöhe ein Loch Richtung Nachbarkabine zu bohren. Und andere schöne alte Bräuche …

Wie gut in der Neuzeit zu leben …

 


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