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Was das Herz begehrt (USA, 2003) von Nancy Meyers

 
 

 
 

Dieser Film gebärdet sich zunächst augenfällig als Hollywood-Feelgood-Movie: Ein Haus am Meer, helle Räume, diskreter Luxus und gutaussehende Menschen in vorwiegend heiterer Stimmungslage, die auch mal etwas hypomanisch sein darf – zumindest was die Hauptdarstellerin betrifft. Schon bald kristallisiert sich heraus, wer das finale Paar sein wird – klar, wir sind im luftigen Reich der Komödie und ihrer Vorhersehbarkeit – solide Wohlfühlware. Grosses Herumrätseln und open ends finden andernorts statt. Jack Nicholson agiert in gewohnter Profiroutine als Harry Sanborn: ein Verführer, dessen beste Tage schon verflossen sind und der im Konsumieren junger Frauen die Garanten für seinen Selbstwert und seine narzisstische Regulation findet. Diane Keaton als die Schriftstellerin Erica Barry agiert hier ebenfalls nicht als romantische Projektionsfläche, sondern als alternde alleinstehend Frau mit Format und dem Hintergrund einer langen Zeit der Selbstgenügsamkeit. Demgemäss durchzieht diese Humoreske eine leise dunkle Unterströmung der Themen, die eine Altersliebe unwiderruflich begleiten: Melancholie, Pessimismus, Verletzbarkeit und Scham über einen sich verändernden Körper, dargestellt insbesondere in der ikonisch gewordenen Duschszene, die alle Elemente von Scham, Flucht und Wunsch in einem raschen Schlagabtausch in sich vereint: Sehen, Nichtsehen, Verbergen, Erschrecken, Schützen und Gesehenwerdenwollen.

Harry erleidet bereits zu Anfang einen Herzinfarkt … das Herz ist also hier offensichtlich nicht der Ort des Entflammens und metaphorischer Topos der Gefühle, sondern der Beschädigung und der Kapitulation des Körpers; Erica muss Harry in ihrem Landhaus pflegen – der Verführer ist damit ausgeknockt: Pflege schafft Nähe, aber auch ein Machtgefälle, das macht es Erica möglich sich zu öffnen. Harrys Zusammenbruch ist daher weniger medizinisch als existenziell: Es bringt ihn in die Nähe zu einer Frau, die er bisher gemieden hat – einer Altersgenossin. Und plötzlich ist er auch nicht mehr der Regisseur seiner Begegnungen, sondern Erica ausgeliefert. Boden für Neues!

 
 

               

 
 

Der Film schafft es trotzdem, erotische Spannung zu evozieren, aber auch anrührende Momente zu schaffen, indem er charmant die Probleme eines älteren Paares aufzeigt, das morgens nicht aus dem Bett springt wie das Weissbrot aus dem Toaster, sondern erst mühsam versucht, ohne ihre Lesebrillen den Wecker zu entziffern.

Der Film verzichtet auch auf das Ausschlachten der Dreieckskonstellation beim Hinzukommen des deutlich jüngeren Arztes Julian; dieser fungiert weniger als Rivale und romantischer Gegenpol von Harry, sondern als narzisstische Spiegelung für Erica – er sieht sie, ohne sie zu entwerten – aber diese Option bleibt seltsam leblos und zum Scheitern verurteilt. Die Wahl von Erica wird verständlich: Verlieben im Alter braucht nicht nur Attraktion, sondern gelebtes Leben, gleiche Wunden, ähnliche Verletzbarkeit, Peinlichkeit und vergossene Tränen – und die gleiche Angst – nicht umsonst schreibt Erica lieber Romane über die Liebe, anstatt sie zu leben: Nähe bleibt beherrschbar, so lange sie fiktional bleibt. Ein Film über die Zumutung, sich noch einmal berühren zu lassen, wenn man schon längst gelernt hat, sich zu schützen und das vielleicht sogar überstrapaziert.

 
 

                 

 
 

So könnte man sagen, Erica und Harry landen in einer reifen Objektbeziehung, wenn der Film nicht noch eine kleine freche Arabeske gesetzt hätte – der Griff Harrys an Ericas Hintern bei einem noblen Familienessen samt Enkelkind. Kein harmloser Gag, eher ein Symptom beziehungsweise ein Rückfall Harrys in die Modi der sexuellen Reviermarkierung – Besitz statt Beziehung, Zugriff statt Dialog. Wird das gutgehen? Dem Charme des Drehbuchs und der Schauspieler und dem gelungenen Austarieren von Schwere und Leichtigkeit ist es zu verdanken, dass man diese Geste nicht übelnimmt, sondern mit einem grossen Grinsen aus dem Kino geht und am liebsten mit dem Sitznachbarn High Five machen und einen bechern gehen würde. Darf auch ruhig etwas älter sein …

 

This entry was posted on Montag, 29. Dezember 2025 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. You can leave a response here. Pinging is currently not allowed.

4 Comments

  1. Anonym:

    Das unterscheidet eben Hollywood-Komödien von den deutschen Keinohrhasen. Routine, Hintersinn, Wortwitz, ein Hauch Slapstick (ist ja auch amerikanische Tradition) und gebrochene Figuren, die aber liebenswert bleiben.

  2. Ursula Mayr:

    Billy Wilder mag ich auch sehr, vor allem “ Extrablatt“ – The Odd Couple kann ich auswendig, ist aber schon etwas angejahrt. „Reine Nervensache“…der Hammer! Besonders geeignet für Psychotherapeutenfortbildungen!

  3. Roland:

    Amerika hat eine lange Geschichte der Komik, und auch der Comics, und da eine ziemliche Streubreite. In Europa kam das nicht so gut an mit Dick und Doof, Buster Keaton. Chaplin wurde da eher angenommen.

  4. Ursula Mayr:

    Reine Nervensache…hihi! Wär mal was für meinen Qualitätszirkel – eine Riesengaudi mit Pfiff und Niveau.
    Ja, die USA hat eine lange Geschichte der Komik, aber oft der unfreiwilligen…aber bleiben wir in der Filmwelt. Das vom Leben gebeutelte Objekt, das sich mit Charme und Grazie den Repressalien des Lebens stellen muss ( Chaplin ), das ungeahnte Fähigkeiten entwickelt um durchzukommen ( Keaton ), der ja bekanntlich am Uhrzeiger hing und die Urform des Buddy-movies ( Dick und Doof ), mit denen sich der Westen nie so ganz anfreunden konnte; lebte von der Entlastung des Zuschauers bei der Erkenntnis dass es Leute gibt die noch doofer sind als man selbst. Drr Slapstik begann die Gesetze der Gravitation und andere Grenzen der Realität zu überwinden…in den Siebzigern sass ich sonntags wie gebannt vor der Schwarzweissglotze und guckte “ The Little Rascals „, die Abenteuer einer Kindergruppe. In den 90ern wurde nachgedreht, natürlich ohne den Charme des Originals, das aber schwer zu kriegen ist.

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