One Battle After Another (2025) von Paul Thomas Anderson
Es fängt recht charmant an mit der Befreiung von Mexikanern, die man an der Borderline zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten festgesetzt hatte – mit MG-Geballer, Mollisschmeissen und Viva la Revoluçion – mal flott das Feuer der 60er in das gegenwärtige präfaschistische Amerika transplantiert – da kommt Freude auf. Wer sich aber darauf verlassen will, dass es halbwegs geordnet weitergeht oder jetzt eine Politsatire ihren hoffentlich amüsanten Gang geht, ist hier nicht gut bedient. Der Regisseur hat noch anderes vor und offensichtlich keine Lust sich festzulegen und nur ein Segment zu bedienen. Das ist meistens anstrengend, aber unterhaltsam, gelegentlich fühlt man sich inmitten eines Tsunamis. One Battle After Another ist ein Genre-Hybrid, ein ausuferndes Werk, das sich dem klassischen Anspruch entzieht: Thriller, Satire, Politdrama, Familiengeschichte – all das kollidiert und explodiert in Andersons Version und lässt jemanden zunächst etwas verblüfft zurück, der sich zuletzt tapfer durch There will be blood hindurchgegähnt hat. By the way mag ich diese Genremixe jetzt weniger, aber bleiben wir objektiv und lassen die eigenen Anstrengungsbemühungen mal beiseite.
Die Handlung:
Bob (natürlich wieder der Leo), ein ehemaliger Revolutionär im Exil, lebt abgeschieden mit seiner Tochter Willa, bis ein alter Feind wieder auftaucht, Willa verschwindet und er sie befreien muss. Vorher können wir ihm beim Kiffen und langsamen Versanden zuzusehen, das ist tatsächlich amüsant und er fügt seinen Rollenpersönlichkeiten noch das Segment des Komischen hinzu … a sad clown, von seinem ehemals revolutionären drive im Stich gelassen, resigniert und zusehends den Kopf in den Wolken. Sean Penn als Gegenspieler in seiner schrägen Rolle ist natürlich wie immer der Brüller, The Odd Couple in Neuauflage. Der Film ist, so ließe sich sagen, eine Mixtur aus Paranoia, Sehnsucht nach Sozialromantik und zugleich eine Meditation über Erinnerung, politisches Engagement und Vaterliebe. Anderson (nicht der Wes sondern der Paul Thomas) nimmt Elemente aus Thomas Pynchons Roman Vineland, adaptiert diese jedoch freier denn je, nachdem er sich von dessen literarischer Sprengkraft distanziert und sie zugleich in seine eigene Bildsprache überführt, bis der Ursprung nicht mehr wiederzuerkennen ist – und diese Bildsprache funktioniert. Das furiose Jonglieren mit Klischees eines Tarantino gelingt ihm natürlich nicht, der melancholische Witz der Coens schon eher, dafür fehlt ihm deren Kontinuität, er wechselt mehrfach den Stil, das Tempo, die Bildsprache atmosphärisch ist der Ductus des Films selten stabil – er oszilliert zwischen lakonischer Komik, beunruhigendem Ernst und absurden Exzessen, die etwas befremden. Man spürt oft eine Leere, wenn der Wirbel allzu gross wird – ist das gewollt oder ist ihm da etwas verrutscht? Die Leere und der letzte Atemzug einer Revolution, die sich totgelaufen hat und deren letzte Spuren sich in Mariahuanadämpfen verflüchtigen? Macht Widerstand überhaupt noch Sinn, kann man es wieder aufgreifen im Zeitalter sterbender Demokratien und gut ausgeschlafener Oligarchen, die jetzt den Laden schmeissen? Ein dunkler, melancholischer Unterton, der den ganzen Film begleitet – aber vielleicht ist das mein Problem, der melancholische Unterton des eigenen Lebens und einer Resignation gegenüber der Veränderbarkeit der Welt. Ein Stück Selbsterfahrung schadet auch mal nicht.
Die Beziehung zwischen Bob und Willa bildet das emotionale Herzstück. Bob ist kein archetypischer Held – er ist zersplittert, von Selbstzweifeln geplagt, ein Vater, der mehr instinktiv als rational handelt. Willa wiederum wächst auf mit den Kodizes ihrer Mutter, mit einem halb ererbten, halb reflektierten politisch-revolutionären Erbe. Ihre Spannung gegenüber Bob symbolisiert auch die Disjunktion zwischen Generationen, zwischen Idealen und Pragmatismus gepaart mit Depression. Neu ist das jetzt allerdings nicht und man hätte sich noch einiges reizvolle Zubehör in der etwas abgeklapperten Vater-Tochter-Geschichte gewünscht – hier wird ein Klischee bemüht, das in den letzten Jahrzehnten weidlich ausgeschlachtet wurde: Abgehalfterter Gangster oder Kommissar oder Wrestler oder Übergewichtiger entdeckt plötzlich seine Vaterliebe und wirbt um seine Tochter (es sind immer Töchter), für die er letztlich sogar sein Leben opfern will, nachdem sie ihm vorher offenbar herzlich wurscht war oder von der bösen Mama gehindert wurde, den Vater zu sehen – über dieses Standardmotiv muss ich mir später noch ein Paar warme Gedanken machen, ein Dauertopos von Hollywood mittlerweile, auch hier wieder weidlich aufgewärmt.
Der politische Mythos implodiert schliesslich im familiären Mikrokosmos. Der Versuch, das große Ganze im Kleinen zu retten, macht die Auswegslosigkeit sichtbar, womit wir wieder bei der Leere wären. Irgendetwas ist unwiderruflich vorbei, was uns einmal berauschte, aber immerhin hat man noch die Familie als regressiven Zufluchtsort. Als Gegenspieler dient Colonel Steven J. Lockjaw (Sean Penn) – kein banaler Bösewicht, sondern eine Chiffre politischer Gewalt: autoritär, charismatisch und perfide. Sein Auftreten offenbart, wie eng Gewalt und Herrschaft zwangsweise verzahnt sind – und auch mit pervertierter Sexualität. Diese Szenen sind die besten.
Ein wiederkehrendes Motiv ist das Spiel mit Geheimnissen, Codes und verschlüsselten Wissen. Diese Struktur erinnert an die Pynchon’schen Labyrinthe, auch hier geschickt ins Filmische umgesetzt. Die Rezeption ist überwältigend positiv: Auf Rotten Tomatoes liegt der Film bei ~97 % Zustimmung. Roger Ebert lobt ihn als „remarkably propulsive, fun, and eventually moving piece of work“. The Guardian hebt die tonale Fusion hervor: „serious and unserious, exciting and baffling“. Doch nicht alle Stimmen sind uneingeschränkt begeistert. Manche Kritiker monieren eine gewisse Unschärfe: dass Figuren in karikaturhafte Extreme gezogen werden oder dass die satirischen Aspekte gelegentlich hölzern wirken. Manche sehen gar eine Selbstgerechtigkeit in der politischen Positionierung. Diese Spannweite ist letztlich produktiv: Ein Film, der nicht nur angenommen, sondern auch diskutiert werden will – und das genau deshalb eine künstlerische Relevanz besitzt.
So kann sich jeder aus dem Film herausdestillieren, was ihn interessiert. Für mich war er vor allem eines: Ein furioser und zugleich melancholischer Abgesang auf Revolte, Widerstand und politische Integrität in deren letzten Zuckungen vor der Agonie. Ein Requiem …


