Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2025 15 Okt.

Oldie but Goodie – Nachkriegsdeutschland auf Speed

von: Ursula Mayr Filed under: Blog | TB | 8 Comments

 
 

In Zeiten, in denen wieder Drohnen angeblich unbekannten Ursprungs über dem Land kreisen, scheint es geboten, sich einmal wieder zu erinnern, wie es war, als der Russe nicht im Kommen, sondern auch physisch schon im Lande anwesend war. Billy Wilders One, Two, Three (1961) ist eine aberwitzige Komödie, die den Kalten Krieg in ein Tempo presst, das an Screwball oder Slapstick erinnert und zugleich ein Zeitdokument der Stimmung der 60er ist: Das nervöse Beben und Vibrieren der westlichen Welt nach dem heissen und vor dem kalten Krieg, placiert in die Achillesferse Deutschlands: Das von den Grossmächten besetzte und zerteilte Berlin, einem Ort, an dem die Ideologien aufeinanderprallen wie Billardkugeln. Erzählt wird die Geschichte des Coca-Cola-Vertreters C.R. MacNamara (James Cagney in einer furiosen Energieleistung, ein Wirbelsturm aus Timing, Zynismus und Pragmatik), der eigentlich in den Vorstand aufsteigen will, aber plötzlich damit beauftragt wird, die Tochter seines Chefs zu beaufsichtigen. Diese verguckt sich prompt in einen strammen ostdeutschen Jungkommunisten, (Horst Buchholz als schwarzlockiger Rebell und Verkörperung sämtlicher sozialromantischer Jungmädchenträume), was der Chef keineswegs erfahren darf und MacNamara in eine rasante Kaskade von Notlügen, Intrigen und politischen Verwicklungen zwingt, noch verstärkt durch das Ressentiment der Ehefrau (eine coole Bissgurke mit Format).

Wilder entlarvt gleichermaßen den amerikanischen Haifischkapitalismus (verkörpert durch die Verschacher-Mentalität MacNamaras) wie die sowjetische Dogmatik (karikierend in der Figur der Ostblock-Funktionäre). Die Dialoge sind – Wilder at it’s best – rasend schnell, pointiert und gespickt mit Anspielungen auf Politik, Kultur und Popgeschichte, eine Gag-Dichte, die manchmal den schwerblütigen deutschen Zuschauer fast überfordert – man spürt die Lust an der sprachlichen und situativen Überdrehtheit, mit McNamara als Dirigent im Dauerfortissimo. Gleichzeitig ist One, Two, Three ein Film über Verwandlung als ökonomische und ideologische Ware: Der proletarische Jungkommunist Otto Ludwig Piffl wird in Windeseile in einen untadeligen kapitalistischen Schwiegersohn umgestylt – inklusive westlicher Garderobe, britischer Ahnenreihe und formtreuer Etikette. Die Farce entlarvt so, wie beliebig austauschbar Identität und Wertekodices werden, wenn Macht und Geld winken.

 
 

                   

 
 

Nicht jeder hielt diesem Tempo stand – bei seinem Start floppte der Film in den USA; zu sehr drängte sich die reale Politik in die damals frische Wunde. Heute jedoch wirkt er wie eine hellsichtige Groteske über Globalisierung und politische Pose, die erstaunlich modern geblieben ist, man kann ihn immer noch gut ansehen. Zudem ist das Werk wie aus einem Guss, obwohl die Dreharbeiten wegen des realen Mauerbaus nicht mehr an den Originalschauplätzen weitergeführt werden konnten und das Brandenburger Tor in den Berliner Filmstudios nachgebaut werden musste, um die Dreharbeiten abzuschliessen. Das funktionierte ohne Bruchlinie …

Wilder beweist, dass politische Satire nicht schwerfällig sein muss, sondern wie eine Colaflasche knallen kann, wenn man nur den Mut hat, sie zu schütteln. Freilich könnte man ihm nun Verharmlosung einer sehr dunklen Zeit vorwerfen, wenn man nicht selbst so eine diebische Freude an den vertrottelten russischen Funktionären hätte, die wegen einer Kuckucksuhr ausflippen und McNamara noch brav das Leergut zurückgeben – und dem dauerzornbebenden Piffl, der ebenso wechselweise wie sinnfrei zwischen Ost- und Westsektor herumflitzt wie ein Elektron um den Atomkern und schliesslich sehr rasch in einen marktgängigen Schwiegersohn verwandelt wird. Ware kann notfalls umetikettiert werden, dann läuft das Business wieder. Wilder entlarvt, dass Ideologien in der Praxis oft tauschbar und käuflich sind. Otto ist weniger Überzeugungstäter als Projektionsfläche; was zählt, ist die Fähigkeit, schnell das richtige Kostüm zu tragen.

 
 

 
 

Die Hektik des Films ist also kein bloßer Gag, sondern ästhetische Umsetzung einer liberalen Ökonomie, die immer stärker Gas gibt und keine Pausen mehr kennt. Der Kommunismus ist längst nur noch ideologisches Theater ohne Substanz, eine Kulisse aus Parolen und Idealen. Der Schluss setzt hier noch eine grimmige Pointe, die man leicht übersieht: McNamara möchte sich ein Flasche Cola aus dem Automaten ziehen und hält verblüfft ein Pepsi in der Hand – das Wirtschaftsleben hat ihn nun doch überholt.

 
 

 
 

Fazit: One, Two, Three ist nicht nur ein wilder Spaß, sondern ein blitzgescheites Stück Ideologie-und Medienkritik. Wilder nutzt die Form der Komödie, um zu zeigen, dass Kalter Krieg und Konsumgesellschaft längst beide Performances sind – schneller, lauter, marktfähiger als jede moralische Überzeugung.  Und er beweist, dass Komödie eine der schärfsten kulturkritischen Waffen ist. One, Two, Three lacht den Kalten Krieg aus – und zeigt zugleich, dass Kapitalismus und Kommunismus einander brauchen, um ihre Maskerade aufrechtzuerhalten. Wer verstehen will, wie Politik zur Show und Identität zur Ware wird, findet hier eine hellsichtige, gnadenlos schnelle Lektion.

 

This entry was posted on Mittwoch, 15. Oktober 2025 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. You can leave a response here. Pinging is currently not allowed.

8 Comments

  1. Jochen:

    Gerne gelesen, danke.

    You named it: für seine Zeit ungewöhnlich – locker wie die Beatles ;)

  2. Ursula Mayr:

    Mit den Beatles hatte ich es ja nie so – bzw mit ihrer Musik wobei ich durchaus konstatiere dass sie eine erstaunliche musikalische Entwicklung gemacht haben. Der Film A hard days night hat mich dagegen sehr angesprochen – dieses völlig formfreie und temporeiche Gekasper hat mich als neue Filmform damals begeistert. Wie hiess der 2. Beatlesfilm gleich nochmal??

  3. Pharao:

    Ich fand den Film seinerzeit sehr philosophisch fundiert, Ideologien als pseudomoralische Konstrukte mit begrenzter Haltbarkeit, hätte fast das Zeug zu einer neuen Gesellschaftstheorie. Deutlich mehr Tiefe als sonst die übliche Wildersche Situationskomik.

  4. Anonym:

    HELP! :)

  5. Ursula Mayr:

    Thanx!!

  6. Jörg R.:

    Uff! Eine düstere Zeit! Ich wollte damals in Berlin studieren, die Mauer wurde gebaut. War mir dann alles zu gruselig dort. Vor allem das Abgeschlossensein vom Rest des Landes war unbehaglich.

  7. Coca:

    Du hast die wunderbare Szene vergessen, in der Lilo Pulver vor besoffenen Sowjtfunktionären auf dem Tischt tanzt. Meiner Erinnerung nach die einzige Szene, in der sie mal sexy sein durfte und auch war.

  8. Anonym:

    Stimmt – die Lilo war hinreissend!

Leave a comment

XHTML allowed tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Mit dem Absenden akzeptiere ich die Übermittlung und Speicherung der Angaben, wie unter Datenschutz erläutert.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz