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2025 29 Okt.

interludes

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Jessica Hausners Pflanzenparabel 

 

Jessica Hausners „Little Joe“ (2019) ist kein Film über Botanik, sondern über Psychodynamik, Entfremdung und Dissoziation. Die gentechnisch gezüchtete Pflanze „Little Joe“, die via Pollen Glückshormone freisetzt, ist weniger ein biologisches Experiment als eine Metapher für verdrängte weibliche Triebkraft – für Verführung, Fruchtbarkeit, Lust, Entgrenzung und Schönheit, für jenes rätselhafte Begehren, das die rationale Ordnung einer kontrollierten Welt zu unterwandern droht, in die Irrationalität führt.

Zunächst erleben wir die kontrollierte Welt der Naturwissenschaft: Die Botanikerin Alice mit dem signalroten Haarschopf (das einzige an ihr, was Aufmerksamkeit einfordert), alleinerziehende Mutter, steht im Zentrum eines paradoxen Dilemmas: Sie bringt eine Pflanze hervor, die emotional abhängig macht, doch sie selbst ist in emotionaler Enthaltsamkeit gefangen. Ihre Kreatur verführt – sie selbst kann es nicht, vielleicht will sie es auch gar nicht. Ihre eigene unbewusste erotische Energie wird externalisiert und fliesst in das Werk ihrer Hände – eine Pflanze, die Pollen aussendet, die glücklich machen und die den Wunsch nach Körperlichkeit freizusetzen versteht. Natürlich ist sie leuchtend rot – und wie nicht anders bei den künstlichen Geschöpfen des Sci-Fi entwickelt sie ein unheimliches und unkontrollierbares Eigenleben. Die Angst vor der Blüte ist die Angst vor der eigenen inneren Entfaltung, vor dem „Erblühen“, das zugleich Leben, Chaos, Abhängigkeit und Verletzlichkeit verheißt. Diese Angst wird doppelt heikel durch die Präsenz ihres Sohnes Joe: Sie schenkt ihm eine Pflanze und in ihm beginnt dieselbe Triebenergie zu erwachen, die sie selbst aus ihrem Inneren verbannt hat. Sein Erwachen trifft auf ihre Angst, seine Lebendigkeit auf ihre Erstarrung. Das erträgt so manche Mutter schwer, es mobilisiert eigene Triebwünsche und bedeutet auch den Verlust des weiblichen Monopols im Leben des Sohnes. Das Gras auf der anderen Seite jenseits des Dunstkreises der Mutter wird für den Jungen plötzlich grüner – in diesem Fall röter. Zwischen Mutter und Sohn entsteht so eine Spannung, die von Verlustangst, Schuld und Begehren untergründig aufgeladen ist, als der Sohn den Übergangsraum betritt, auf Distanz zur Mutter geht und Wünsche nach mehr Kontakt zum Vater äussert – ein stilles, alltägliches Drama – zunächst.

Hausners sterile Farbwelt, die nüchternen klinischen Räume und die zurückgenommene Kameraführung spiegeln diese seelische Erstarrung. Das Labor ist kein Ort des Wissens, sondern des Entstehens und gleichzeitig des Abwehrens von Verführung – eine moderne Variante des Gewächshauses, in dem das Weibliche als Bedrohung eingesperrt wird, ein Ort an dem nichts wuchern darf. Die greifbare Spannung zwischen ihr und dem Sohn, der seine libidinöse Besetzung von ihr zunehmend abzieht, wird noch verstärkt durch die präzise komponierten Bilder, die pastellfarbene Kälte der Labors, entgegengesetzt zum knallenden Rot der Pflanze. Konsequent wäre nun für Alice, ihre Schöpfung wieder zu vernichten, wie so mancher mad scientist mit seinem Geschöpf verfahren ist oder es zumindest versucht hat.

Bis zuletzt bleibt offen, ob die Pflanze tatsächlich manipuliert oder ob Alices Wahrnehmung selbst paranoid vergiftet ist. Doch vielleicht ist das gar keine Frage: „Little Joe“ zeigt das Drama einer Frau, die sich vor ihrer eigenen Lebendigkeit fürchtet – und deshalb ihr Begehren als gefährliche Fremdsubstanz erlebt, um die sie während des gesamten Films misstrauisch herumschleicht und um ihren Sohn fürchtet. Wenn man diese sexuelle Unterströmung zu erspüren versteht, funktioniert der Film als Innenansicht gut, dieser suspense macht die Spannung des Filmes aus – eine treffend bebilderte klinische Studie – das macht den Genuss, auch wenn einem dabei gelegentlich die Füsse einschlafen: das ist nicht die Unfähigkeit der Regisseurin, sondern Stilmittel, vermute ich mal.

 
 

                   

 
 

Doch „Little Joe“ erzählt nicht nur von einer Frau und ihrem verbannten Begehren. Der Film spiegelt auch eine Gesellschaft, die Gefühle längst als Ware begriffen hat. Glück, Schönheit, Verführung sind längst ein Produkt, das sich designen, perfektionieren, patentieren und kontrollieren lassen soll. Die Blume ist ein Konsumgut wie jedes andere – mit Marketingstrategie, Zielgruppenanalyse und Versprechen von Wohlbefinden. Auch das ist unheimlich.

Das eigentlich Unheimliche an Little Joe ist aber nicht die Manipulation, sondern wie selbstverständlich sie angenommen wird. Wer würde – wie in Brave New World – nicht gern ein bisschen glücklicher sein? In dieser Logik wird das Gefühl selbst zum ökonomischen Faktor – regulierbar, dosierbar, verkäuflich. Die industrielle Zucht von Emotionen löscht aber ihre Wildheit aus, das gibt eine Art Einheitsbrei-Glück, fürchte ich, und der Wilde in Brave New World erhängt sich lieber, als auf diese Art glücklich sein Leben zu fristen. Und vielleicht ist Alice deshalb so misstrauisch – weil die Blume ihr zeigt, wie radikal sich die Natur des Menschen verändert, wenn man das Glück in die Produktion gibt.

Assoziativ stellte sich bei mir noch „Homo Faber“ von Max Frisch ein: Ein Homo Technicus, der alles verabscheut, was mit Gefühlen zu tun hat und die Welt für berechenbar hält, auch bei ihm darf nichts lustvoll wuchern (die beiden hätten sich prima verstanden in ihrer schizoiden Gehemmtheit):

 

„Was mir auf die Nerven ging: die Molche in jedem Tümpel, in jeder Eintagspfütze ein Gewimmel von Molchen — überhaupt diese Fortpflanzerei überall, es stinkt nach Fruchtbarkeit, nach blühender Verwesung. Wo man hinspuckt, keimt es!“

 

Das Schicksal zwingt den Ingenieur Faber sodann, in ein Drama antiken Ausmasses und archaischer Wucht, in dem er das lernt was er noch nicht kann. Zuletzt dann eine Art verhaltenes Happy End: Alice bekommt ebenfalls eine Pollendusche ab, wagt es einen Mann zu küssen und entlässt ihren Sohn in die Männerwelt. Wünschen wir der Mama mehr Küsse und dem Jungen ein fröhliches Junggesellenleben bei seinem hoffentlich weniger sauertöpfischen Papa!

 

2025 27 Okt.

Gedankenfreilauf

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Der Stoff, aus dem die Träume sind, wird aus der Realität gewonnen, Alpträume inklusive. Vielleicht zählt unsereins ja (noch) zu den beneidenswerten Existenzen, die sich ein trockenenes Plätzchen in einer Welt des durchfluteten Horrors ergattern konnten, denn vieles ist im Argen. Wer als junger Mann im Staate „Selenski“ an die Front zitiert wird und dort als „Kriegspuppe“ für jene Hintergrundspieler agieren muss, deren Machenschaften, Macht- und Profitgelüste er wohl nie durchblicken wird (aus Blut und Boden wird Seltene Erden), den würde der argumentativ wie sprachlich brilliante Essay des jungen Autoren Ole Nymoen mit dem Titel „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde: Gegen die Kriegstüchtigkeit“ vielleicht dazu verleiten, Kehrtmarsch zu machen. Jeder Krieg beginnt mit einer Lüge, das habe ich nun begriffen und nicht erst seit Corona gibt es jede Menge Lügner in der Politik. Vor einigen Tagen bekam der Medienwissenschaftler Norbert Bolz Besuch von vier Polizisten, mit einer Hausdurchsuchung im Gepäck. Seine relativ populäre Stellung, zudem das gereife Alter mögen wohl auch jenes Vorkommnis nicht als blanken Horror bewertet haben, sondern als etwas Erwartbares. Ganz überrascht hingegen war die Linguistin Reality Winner, als zwei FBI-Beamte im Jahre 2017 vor ihrem Haus auftauchten, mit ebengleichem Hausdurchsuchung im Gepäck und folgendem Verhör in einer Abstellkammer ihres Hauses, das dann zu fünf Jahren Haft führte. Sie hatte Papiere geleaked, um die Beeinflussung der US-Wahlen durch den Putin-Staat öffentlich zu machen – zum Wohle ihres Volkes. Die amerikanische Justiz sah es anders. Was wird wohl aus jenem Richter, dessen Bolz-Schuss nach hinten losging? Dass ein promovierter Kopf in solcher Stellung Ironie nicht zu begreifen vermag, gibt Anlass zur Sorge. Die Hauptdarstellerin besagten Films heisst übrigens Sidney Sweeney und sie liefert in Reality – Wahrheit hat ihren Preis (auf Amazon Prime) eine Meisterleistung ab. Da war doch was? Google brachte es schnell ans Licht: ich kannte sie von anderen Streaming-Highlights wie The White Lotus, Sharp Objects, Euphoria und Once upon a Time in Hollywood.

 

 
 

In Zeiten, in denen wieder Drohnen angeblich unbekannten Ursprungs über dem Land kreisen, scheint es geboten, sich einmal wieder zu erinnern, wie es war, als der Russe nicht im Kommen, sondern auch physisch schon im Lande anwesend war. Billy Wilders One, Two, Three (1961) ist eine aberwitzige Komödie, die den Kalten Krieg in ein Tempo presst, das an Screwball oder Slapstick erinnert und zugleich ein Zeitdokument der Stimmung der 60er ist: Das nervöse Beben und Vibrieren der westlichen Welt nach dem heissen und vor dem kalten Krieg, placiert in die Achillesferse Deutschlands: Das von den Grossmächten besetzte und zerteilte Berlin, einem Ort, an dem die Ideologien aufeinanderprallen wie Billardkugeln. Erzählt wird die Geschichte des Coca-Cola-Vertreters C.R. MacNamara (James Cagney in einer furiosen Energieleistung, ein Wirbelsturm aus Timing, Zynismus und Pragmatik), der eigentlich in den Vorstand aufsteigen will, aber plötzlich damit beauftragt wird, die Tochter seines Chefs zu beaufsichtigen. Diese verguckt sich prompt in einen strammen ostdeutschen Jungkommunisten, (Horst Buchholz als schwarzlockiger Rebell und Verkörperung sämtlicher sozialromantischer Jungmädchenträume), was der Chef keineswegs erfahren darf und MacNamara in eine rasante Kaskade von Notlügen, Intrigen und politischen Verwicklungen zwingt, noch verstärkt durch das Ressentiment der Ehefrau (eine coole Bissgurke mit Format).

Wilder entlarvt gleichermaßen den amerikanischen Haifischkapitalismus (verkörpert durch die Verschacher-Mentalität MacNamaras) wie die sowjetische Dogmatik (karikierend in der Figur der Ostblock-Funktionäre). Die Dialoge sind – Wilder at it’s best – rasend schnell, pointiert und gespickt mit Anspielungen auf Politik, Kultur und Popgeschichte, eine Gag-Dichte, die manchmal den schwerblütigen deutschen Zuschauer fast überfordert – man spürt die Lust an der sprachlichen und situativen Überdrehtheit, mit McNamara als Dirigent im Dauerfortissimo. Gleichzeitig ist One, Two, Three ein Film über Verwandlung als ökonomische und ideologische Ware: Der proletarische Jungkommunist Otto Ludwig Piffl wird in Windeseile in einen untadeligen kapitalistischen Schwiegersohn umgestylt – inklusive westlicher Garderobe, britischer Ahnenreihe und formtreuer Etikette. Die Farce entlarvt so, wie beliebig austauschbar Identität und Wertekodices werden, wenn Macht und Geld winken.

 
 

                   

 
 

Nicht jeder hielt diesem Tempo stand – bei seinem Start floppte der Film in den USA; zu sehr drängte sich die reale Politik in die damals frische Wunde. Heute jedoch wirkt er wie eine hellsichtige Groteske über Globalisierung und politische Pose, die erstaunlich modern geblieben ist, man kann ihn immer noch gut ansehen. Zudem ist das Werk wie aus einem Guss, obwohl die Dreharbeiten wegen des realen Mauerbaus nicht mehr an den Originalschauplätzen weitergeführt werden konnten und das Brandenburger Tor in den Berliner Filmstudios nachgebaut werden musste, um die Dreharbeiten abzuschliessen. Das funktionierte ohne Bruchlinie …

Wilder beweist, dass politische Satire nicht schwerfällig sein muss, sondern wie eine Colaflasche knallen kann, wenn man nur den Mut hat, sie zu schütteln. Freilich könnte man ihm nun Verharmlosung einer sehr dunklen Zeit vorwerfen, wenn man nicht selbst so eine diebische Freude an den vertrottelten russischen Funktionären hätte, die wegen einer Kuckucksuhr ausflippen und McNamara noch brav das Leergut zurückgeben – und dem dauerzornbebenden Piffl, der ebenso wechselweise wie sinnfrei zwischen Ost- und Westsektor herumflitzt wie ein Elektron um den Atomkern und schliesslich sehr rasch in einen marktgängigen Schwiegersohn verwandelt wird. Ware kann notfalls umetikettiert werden, dann läuft das Business wieder. Wilder entlarvt, dass Ideologien in der Praxis oft tauschbar und käuflich sind. Otto ist weniger Überzeugungstäter als Projektionsfläche; was zählt, ist die Fähigkeit, schnell das richtige Kostüm zu tragen.

 
 

 
 

Die Hektik des Films ist also kein bloßer Gag, sondern ästhetische Umsetzung einer liberalen Ökonomie, die immer stärker Gas gibt und keine Pausen mehr kennt. Der Kommunismus ist längst nur noch ideologisches Theater ohne Substanz, eine Kulisse aus Parolen und Idealen. Der Schluss setzt hier noch eine grimmige Pointe, die man leicht übersieht: McNamara möchte sich ein Flasche Cola aus dem Automaten ziehen und hält verblüfft ein Pepsi in der Hand – das Wirtschaftsleben hat ihn nun doch überholt.

 
 

 
 

Fazit: One, Two, Three ist nicht nur ein wilder Spaß, sondern ein blitzgescheites Stück Ideologie-und Medienkritik. Wilder nutzt die Form der Komödie, um zu zeigen, dass Kalter Krieg und Konsumgesellschaft längst beide Performances sind – schneller, lauter, marktfähiger als jede moralische Überzeugung.  Und er beweist, dass Komödie eine der schärfsten kulturkritischen Waffen ist. One, Two, Three lacht den Kalten Krieg aus – und zeigt zugleich, dass Kapitalismus und Kommunismus einander brauchen, um ihre Maskerade aufrechtzuerhalten. Wer verstehen will, wie Politik zur Show und Identität zur Ware wird, findet hier eine hellsichtige, gnadenlos schnelle Lektion.

 

 

Sie träumte schon zu Anfang ihres Lebens davon, bald wieder abzutreten – auf spektakuläre Art und Weise, in „flammenden Lettern“ die Welt zu verlassen, brennend aus dem Fenster zu springen – und sie hat es geschafft. Dieses Buch ist die Nacherzählung der Mutter von Nancy Spungen über das kurze Leben ihrer Tochter und der Versuch eines Erspürens von deren Innenwelt, was ihr nicht gelingt und letztlich in ein resigniertes Hinnehmen einmündet.

 

 

Nancy war die Freundin von Sid Vicious, Bassist der Sex Pistols, der ersten Punkrockband Englands, der angeblich nicht Gitarre spielen konnte und dessen Stimme mich immer etwas an Jim Morrison erinnerte, so als käme sie ein bisschen jenseits des Grabes. Beim Ableben als 22-jähriger konnte er nicht in den Club 27 aufgenommen werden, verdient hätte er es. Beide waren heroinabhängig. Nancy wurde in einem Hotel in Chelsea mit einem Messer im Bauch tot aufgefunden; Sid wurde festgenommen, die Tat konnte ihm aber nicht nachgewiesen werden, nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft verstarb er an einer Überdosis, die ihm seine Mutter als letzte Zuflucht ins Gefängnis mitgebracht hatte. Mittlerweile vermutet man eine Selbstverletzung – Nancy hatte oft erwähnt ihren 21. Geburtstag nicht mehr erleben zu wollen, fügte sich häufig Verletzungen zu. Die Mutter ist von Sids Täterschaft überzeugt und bezeichnet ihre Tochter als Mordopfer.

Nancy hatte eine traumatisierende Geburt, die Nabelschnur um den Hals, halb erstickt und an Gelbsucht erkrankt kam sie zur Welt, die sie so bedrohlich empfing. Als Kind wohlwollender Mainstreameltern, die auf ihre Andersartigkeit und Impulsivität befremdet und zunehmend verängstigt reagierten, schien sie die Hölle in sich zu tragen, sie schrie von Anfang ihres Lebens an panisch und fast ununterbrochen, liess sich weder beruhigen noch regulieren, litt später unter vielerlei Ängsten und Wutanfällen und bekam Beruhigungsmittel. Psychiater kamen zu keiner Diagnose – heute würde man eine schwere posttraumatische Belastungsstörung annehmen, die auch mit zunehmenden neoplastischen Gehirnveränderungen einhergeht und grosse Probleme hinsichtlich der Stressregulierung hinterlässt – diese Menschen stehen unter schwer erträglicher Dauerspannung und überbordenden Gefühls-Tsunamis. Erst unter Drogen schien sie zur Ruhe zu kommen und das Alltagsleben ertragen zu können. Sie arbeitete in London als Stripperin, bewegte sich in der Punkszene – je lauter und unruhiger es um sie herum wurde, umso wohler schien sie sich zu fühlen und zu etwas mehr Lebensfreude zu kommen. Die Sex Pistols waren nicht eben begeistert von der symbiotischen Doppelexistenz ihres Mitglieds mit einem heroinabhängigen Groupie, das ihn vom Proben abhielt, Johnny Rotten, der Bandleader, hasste sie. Nach einem Jahr dann das ebenso tragische wie ungeklärte Ende. Die Zeitungen schrieben in flammenden Schlagzeilen über sie – für Nancy ihr erstes und letztes Aufleuchten, eine Form von Gesehenwerden.

Das Buch ist weder romantisierend noch reisserisch, eher gnadenlos authentisch und subjektiv aus der Perspektive einer Mutter und präziser Chronistin eines familiären Dramas, die erst sehr spät begriffen hat, was Trauma und Sucht bedeuten beziehungsweise wie stark letzteres einen scheinbaren Ausweg darstellt, unerträgliche Traumaspannung erträglich zu machen. Sie scheut sich nicht, die elterliche Ambivalenz und zunehmende Aggression zu schildern, in dieser Abwärtsspirale aus Selbstzerstörung, Ohnmacht und Verwüstung des sozialen und familiären Umfeldes als existenzielle Grenzerfahrung. Die ungebrochene Liebe zur Tochter klingt immer wieder durch. Das Buch wurde neu aufgelegt unter dem Titel And I don’t want to live this life – ein Satz, der ein vertiefteres Verständnis für die Nancys Leben signalisiert. Es gibt immer wieder Menschen, die sich aufgrund ihrer Startbedingungen mit dem Dasein auf dieser Welt nicht abfinden können und ihren Ausweg selbst suchen müssen. Oft ist das ein Ausweg ohne Rückkehr.

 

Für Interessierte:

 

 

Thema des Buches ist die Ablösung einer Mutter von ihrem heroinabhängigen Sohn, dem nicht mehr zu helfen ist und von dem sie sich trennen muss, um nicht selbst zugrunde zu gehen.

 


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