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2025 10 Juni

Das verbarrikadierte Zen

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | 4 Comments

 

 
 

„Glückliche Menschen kaufen nicht.“ (Gerald Hüther, Neurobiologe)

Wir hatten eine Woche lang meditiert damals, im stillen Retreat, jeder für sich, trafen uns nur zu den Mahlzeiten, allerdings schweigend. Umso reger hernach die Diskussionen und der Erfahrungsaustausch mit der Möglichkeit, den gewitzten Sufi-Lehrer zu befragen. Ein Problem tauchte fast bei allen auf: die Wunschproduktion und Zielvorstellung, bestimmte Dinge besitzen zu wollen. Dieses Begehren machte den Geist unruhig. Sein Rat: die Sachen fortan nur als nützliche Gebrauchsgegenstände zu benutzen, ohne repräsentativen Kult- oder Selbstdarstellungswert. Nun gut, so funktioniert Kapitalismus aber nicht. Logisch, oder mit Naomi Klein: No Logo.

Auch ein brillianter Essay von Elke Brüns berichtet davon, warum die Lage schwieriger ist: Dinge – warum wir sie brauchen und warum wir uns von ihnen trennen müssen. Die Problematik zeigt sich, wenn wir erben, den Kleiderschrank sortieren oder einfach nur den Keller entrümpeln wollen. Vorsicht ist angesagt: nicht dass wir etwa als „Überlebende“ in triumphaler Geste Sachen in den Orkus schicken, die man besser noch behalten hätte. Hinsichtlich von Büchern beispielsweise zeigt sich, dass diese ja nicht nur ein Gegenstand sind, sondern eine geglückte oder verunglückte Beziehung mit dem Autor repräsentieren.

 

„Auch wenn Marie Kondo einen leichten Ausweg bietet: die nur halbgelesenen Bücher wirken wie ein Scheitern der Interaktion von Autor:in und Leser:in. Mit den besten Absichten im Text getroffen und trotzdem hat’s nicht gefunkt. Kondo feudelt hier vielleicht doch etwas zu oberflächlich durch, denn welcher Raum wird hier eigentlich wovon gereinigt?“ (EB, Dinge)

 

Dies nur als ein Beispiel der zahlreich delikaten Gedankengänge von Elke Brüns. Eines steht jetzt schon fest: sollte ich erfolgreich mein Buchregal dereinst auf einen Meter Breite schrumpfen lassen (so wie dies jüngst eine Bekannte tat im Gewahrsein ihrer Endlichkeit), das schmale Buch dieser Autorin fände darin Platz, würde sozusagen überleben: als Zeugnis einer geglückten Lesebeziehung.

 

This entry was posted on Dienstag, 10. Juni 2025 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. You can leave a response here. Pinging is currently not allowed.

4 Comments

  1. Karsten:

    Hab’s gleich mal bei ebooks.de für 2,99 ergattert! Ist ein eBook eigentlich auch ein Ding? Der Verzicht z.B. auf Bücher, CDs und die Videosammlung ist ja im Streaming-Zeitalter gar keiner, sondern kaschiert eigentlich nur den noch ungehemmteren Konsum. Jedenfalls bei mir. Ich komme mir schon irgendwie minimalistisch vor, wenn ich mal ein richtiges Buch lese.

  2. Alex:

    Das Buch hat mir auch sehr gut gefallen. Auf den Punkt geschrieben. Die Sache mit der Kiste, in die die Teile von den Hinterlassenschaften des Erblassers kommen, bei denen man sich noch nicht sicher ist, ob sie ins Kröpchen oder ins Töpfchen kommen und in die man nie wieder reinguckt, hat mir sehr eingeleuchtet. Wenn man das weiß, kann man viel Zeit und Platz sparen, wenn es soweit ist … 😉

  3. Jochen:

    @ Alex: Dein Ohrenschmaus-Blog gab den Hinweis für das Buch – danke dafür.

    Ja, die Sache mit der Kiste gibt zu denken.

    @ Karsten: Ob ebooks Dinge sind?

    Hmm, vielleicht ein Zwischen-Ding, wie Kafkas „Odradek“ ;)

  4. Ursula Mayr:

    Man mag mich der Banalität bezichtigen aber bei Odracek fällt mir immer sofort der Pumuckl ein.🥴

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