Die Romane von Hubert Selby gehörten schon immer zu meinen Lieblingen mit ihren Schilderungen aus der Welt der Abgehängten, Underdogs und – cats und Junkies. Gnadenlose Schilderungen, die einem nichts ersparen aber immer getragen von einer tiefen Empathie und Humanität; Selby verrät seine Figuren niemals – soviel ich weiss ist der Mann sehr religiös. Mit den Verfilmungen hat schon so manch einer nicht den richtigen Nerv getroffen, z B. Uli Edel mit Last exit to Brooklyn, dessen Darsteller, ansehnlich und adrett, problemlos auf einem Laufsteg hätten promenieren können. In die düstere Seite von Brooklyn passten sie jedenfalls nicht und auch ihre Abgründigkeit und Verlorenheit vermochte der Film ebenfalls nicht einzufangen. Jedenfalls schwante mir Ähnliches als sich Darren Aronofsky an Requiem für einen Traum heranmachte. Aber er enttäuschte nicht wenngleich er im Film andere Akzente setzen musste als der Roman es tat, der mehr auf die Verleugnungsarbeit der Protagonisten abhob, ihre Mechanismen – trotz erweiterter Pupille – den Tatsachen nicht ins Auge zu sehen und ihre Abwärtsspirale auch nach dem finalen Aufprall noch nicht zu erkennen. Die jugendliche Grossmäuligkeit der Romanfiguren fehlt hier fast völlig und damit auch der Zugang zu ihren Hoffnungen und Kinderträumen. Stattdessen setzt der Regisseur auf visuelle Effekte um das veränderte Wahrnehmungserleben unter den diversen Substanzen darzustellen, beispielsweise die andere Zeitempfindung unter Amphetaminen mittels Zeitraffer. Hier wäre zu kritisieren dass eine Art Slapstick – Effekt entsteht ( und Slapstick hat immer eine humorige Anmutung ) der einem die Figuren, die dann wie aufgescheuchte Hühner herumrennen, eher entfremdet als ihren Zustand einfühlbar macht. Das passt sozusagen wie die Faust aufs immer wieder eingeblendete Auge aber immerhin unterläuft es auch gängige Rezeptionsmuster. Hier zeigt der Film deutliche Anleihen an Trainspotting von Danny Boyle, der die halluzinatorischen Erfahrungen der Protagonisten skurril auf die Spitze trieb und diese Ebene durchhielt, während die Darstellung bei Aronofsky hier etwas abgekupfert, eingeschoben und hilflos wirkt. Die Halluzinationen von Sarah Goldfarb sind auch insgesamt zu übertrieben und plakativ, da hätte man sich stattdessen etwas mehr geräuschärmeren Suspense, keinen wandernden Kühlschrank und eine weniger knallige und groteske Bildsprache gewünscht; das sind Comic – Elemente und hier fehl am Platz. Das sind aber auch die einzigen Schwachpunkte. Die Schauspieler tun ihr bestes, insbesondere Ellen Burstyn, die den Film über weite Strecken allein trägt und inszenatorische Schwächen auszugleichen versteht. Warum die Hinweise auf die jüdische Abstammung der Familie Goldfarb und das Hängen von Sarah an Festen und Ritualen ihrer Kultur völlig ausgespart wurde werden wir nicht erfahren, ebenso den Werdegang von Marion, einer begabten aber depressiven jungen Künstlerin und ihren Weg zu den Drogen. Schade – im Film bleibt sie eine unverortete Figur ohne Tiefe. Harry als vergöttertes „Bubele“ einer “ jiddischen Momme“ wird eher verstehbar wenn auch etwas grob gerastert, aber glaubhaft in seiner Sohnesambivalenz. Insgesamt sind die Figuren eher zu gutaussehend, steril und wohlfrisiert für eine Population der unteren Mittelschicht, insbesondere die vor dem Haus herumgammelnden Damen, die im Roman die Funktion des Chors im altgriechischen Drama innehaben, da ist noch zuviel Hollywood – Glamour im Spiel, a touch of Golden Girls. Okay, Brooklyn ist noch nicht die Bronx aber ganz so gelackt muss es auch nicht sein. Der Soundtrack begleitet einfühlsam die verschiedenen Stadien des Zerfalls von Menschen und ihren Hoffnungen an die sie sich bis zum Schluss klammern. Der weitere Verlauf des Films jagt in immer schnelleren Überblendungen seinem Ende entgegen und das Finale furioso wirkt wie ein Schlag in den Magen oder wo sonst der Zuschauer seinen Resonanzboden eingebaut hat und wer die Qualen von Sucht noch nicht verstanden hat bekommt jetzt eine Ahnung davon, ebenso von der gnadenlosen Psychiatrie. Der Konflikt zwischen den Psychiatern wie mit der amphetaminsüchtigen und verwahrlosten Sarah umzugehen sei wurde leider auch ausgespart.
Positiv: Es ist nicht nur von den Junkies auf der Strasse die Rede sondern auch von legalen Drogen, die von Ärzten verschrieben werden – die Mothers little helpers der Stones, in ihrer Wirkung bei unsachgemässem Gebrauch kaum weniger destruktiv. Das hebt das Thema „Sucht“ sozusagen aus dem Strassengraben und verfolgt dessen Spuren auch in wohlgeordneteren Milieus mit von Frauenklagen gelangweilten Ärzten.
Bleibt zuletzt die Frage: Ist der Titel gut gewählt? Ein Requiem ist ein Abgesang, eine Form Trauer und Abschied zu gestalten und auszudrücken. Das scheint mir hier zu euphemistisch für ein Filmende mit einem Schrecken der nicht mehr aufgelöst wird und bei dem der Zuschauer unwillkürlich extrapoliert wie das wirkliche Ende aussehen wird. Das ist grosses Kino.