Als wir in Münster unter Palmen sassen …
Lässt man die Phantasie mal kurz aus dem Spiel, dann war es eine deutsche Eiche, Pfauen turtelten um uns herum und vier gemeinsame Stunden vergingen wie im Flug. Everything and nothing came to speech and this is what it should be. Kaum hatte man sich begrüsst, kam schon ein Apfelkuchen unter die Nase geflogen und Minuten später gleich ein Zweiter hinterher. Paradise now? Talking about Brian Eno, witty L asked, mit dem Schalk im Nacken: „Muss es denn immer Eno sein?“ Nun, in meinem Falle sei David Sylvian die wichtige Figur gewesen, er habe genau die Musik gemacht, die mir selbst eigentlich vorschwebte. „Immer noch?“ „Nein, nun nicht mehr.“
Wir kamen, beim Thema „Mystik“ angelangt, auf Peter Handke zu sprechen. G unterbrach das Gespräch brachial: „Ein Konfliktpunkt zwischen M und mir – lasst uns über Anderes reden!“ Es gelang mir noch, eine bei Suhrkamp erschienene Handkebiografie lobend zu erwähnen. In diesen Tagen nun stöbere ich fasziniert in einer gut geschriebenen und detailreich recherchierten Biografie über David Sylvian: On the Periphery – The Solo Years.
Da kommt Erstaunliches zutage. Zu den wenigen Vorzügen des Älterwerdens (Calvino sass gefühlt in Münster mit am Tisch und mahnte: „Ein Mann wird älter!“) gehört ja die Möglichkeit der Abstandnahme und Neuorientierung. Ich stelle mit Genugtuung fest, dass mit den Manafonistas doch ein Umschwung stattgefunden hat hinsichtlich des Musikgeschmacks. Viel Neues ist hinzugekommen, ein Horizontwechsel hat stattgefunden. Unsereins ist sich auch nie zu schade gewesen, durch Andere inspiriert zu werden … (I remember D once talking about the Kings of Convenience and I asked myself: „Who the fuck is this?“).
Oder J in Studententagen mit seinen siebentausend Schallplatten: nächtelang Musik hören, von Sun Ra über Coltrane bis hin zu den Tubes oder den Simple Minds, dazu Rotwein trinken und Tabakläden leerrauchen, wer kennt das nicht. Wir hatten eines schönen Sommertages im Gebrauchtkaufhaus am Weissekreuzplatz in der List wiedermal die Schallplattenabteilung durchforstet und bei einem Kaffee dann begeistert „The Boy With The Gun“ aus dem frisch erschienenen Album Secrets of the Beehive gehört.
Als jene Stelle kam mit dem verblüffenden, Pirouetten drehenden, irrwitzigen Gitarrensolo David Torns, fragte ich J voller Verwunderung: „Welche Musik ein David Sylvian wohl so in zwanzig, dreissig Jahren machen wird?“ In seiner trockenen, etwas schulmeisterlichen Art meinte der: „Das kann ich dir sagen: anspruchsvolle Avantgarde!“ So kam es dann ja auch, mit Blemish und mit Manafon.